The Eyes of My Mother

Wozu der Mensch in seiner elementaren Einsamkeit Vater und Mutter gegenüber doch fähig ist.

Ob der Heilige Franziskus einsam war? Jedenfalls sei er an einer Augenkrankheit, die zur Psychose führen kann, gestorben. Das erfährt unsere Protatgonistin als kleines Mädchen von ihrer Mutter, die in Portugal Augenärztin gewesen sei. Dort hätten die angehenden Ärtze an Kuhaugen geübt. Hier (wohl irgendwo in Amerika) würden sie es an Menschen tun.

Es dürfte sich bei diesem Film von Nicolas Pesce kaum um eine Apologie der Lehren des Heiligen Franziskus oder des gleichnamigen Papstes handeln. Francisca wächst mit Vater und Mutter in einem einsam gelegenen Land-Holzhaus auf, das von außen einen wohnlichen Eindruck erweckt. Einige Wiesen drum herum wirken parkähnlich. Der Vater ist ein intellektueller, bebrillter Glatzkopf. Er fährt mit dem Auto zur Arbeit.

Aus den Augen der Mutter schaut Horror. Das Kind erlebt Horror, den der Regisseur in spärlich beleuchtetem Schwarz-Weiß als schöne Fingerübung im Genre in ruhigen Einstellungen ganz untrashig wie mit der Pinzette darreicht.

Der Film ist in drei Kapitel eingeteilt: Mutter, Vater, Familie – existentieller geht es nicht.

Ab dem zweiten Kapitel ist Francisca (Kika Magalhaes) eine hübsche junge Erwachsene, dunkles Haar, klassisches Antlitz – aber der Horror und die Einsamkeit arbeiten in ihr; ab und an ist dieses Erstaunt-Leere in ihren Augen zu sehen. Sie hat die Erfahrung einer engen Beziehung zwischen Liebe und Tod gemacht. Das scheint ihr Leitmotiv auf ihrer Suche nach Freundschaft und Liebe. Sie ist geprägt von den Erlebnissen als Kind. Und kann nicht anders.

Pesce bringt das wie die Vivisektion einer durcheinandergewirbelten Psyche. Er verzichtet ganz auf den Zeigefinger mit Schockmusik, Schockeffekten. Blutlachen werden lediglich weggeputzt. Ihn scheint der Mechanismus solcher Taten zu interessieren, die offenbar aus einem unauslöschlichen Widerspruch aus der eigenen Liebeserfahrung entstehen, entstehen müssen, wie zwangsläufig. Kein erfreulicher Einblick.

Ein Schuldgefühl arbeitet in der erwachsenen Francisca; dies artikuliert sie im Monolog mit ihrer verstorbenen Mutter. Das Schuldgefühl geht einher mit der Sehnsucht nach menschlichem Umgang. Der ist allerdings wenig kultiviert. Wie denn auch, bei dieser einsamen Jugend und dem kalten Röntgenauge der Mutter.

Im Fernseher der Familie laufen meisten Kriminal- oder Horrorfilme; sie bilden jedoch vor allem Tonkulisse; es sind Horrorfilme in reiner Dialogform. Insofern entsteht der Eindruck von Surrealismus-Horror.

Und: auch wenn sie allein ist: das Haus von Francisca ist immer perfekt aufgeräumt. Dagegen die Verstümmeltheit der Psyche eines Menschen, der nicht allein sein kann – es aber brutal ist. Einmal liegt sie im Wald und die Vögel zwitschern, Kurzassoziation an den Heiligen Franziskus. Beruhigend: die Polizei wird dem Horrorunwesen ein Ende bereiten – wohl aber kaum der Einsamkeit.

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