Stoff für einen großen Kinofilm. Fast erblindeter junger Mann trotzt dem Schicksal, trickst es aus, schafft das Abitur und absolviert erfolgreich eine Hotelfachlehre als Normalo.
Stattdessen, da die deutsche Drehbuchkultur darniederliegt und fernsehverseucht ist, bekommen wir 111 Minuten Kinowerbung für ein Luxushotel in München zu sehen als ein Sammelsurium möglichst aller kniffligen Situationen, die der Kandidat zu bewältigen hat und mithilfe einiger wohlgesonnener Mitmenschen auch bewältigt.
Kostja Ullmann hat seine Rolle sorgfälig studiert und spielt sie überzeugend. Wenn die Arbeit am Drehbuch ebenso sorgfältig und mit Kinowissen geschehen wäre, dann hätten wir endlich einen großen, international kompatiblen, deutschen Kinofilm; denn worum geht es im Kino anderes als ums Sehen – und dass der Sehschwache manchmal mehr „sieht“ im Sinnne von Wahrnehmng als der normal Sehende. Dass Wahrnehmung von Welt und Mitmenschen weit mehr als nur die Arbeit der Augen sei. Zu welch enormer Leistung ein Mensch fähig ist mittels Konzentration. Aber das alles interessiert hier herzlich wenig, hier geht es nur darum, ob der Blinde irgendwo reintappt.
111 Minuten Kinowerbung für das Hotel Bayerischer Hof in München (darf also im Fernsehen nicht gezeigt werden) nach Ruth Tomas Weihnachtsplätzchen-Drehbuchrezept unter Mitarbeit von Oliver Ziegenbalg nach der Geschichte von Saliya Kahawatte in der Regie von Marc Rothemund.
Immerhin ist es eine Geschichte und ein Traum, der in Erfüllung geht, da verrät man nicht zuviel, das offenbart der Film in seiner saloppen Machart mit der Dauer-Musik-Mayonnaise drüber gleich von selbst.
Kostja Ullmann spielt Saliya Kahawatte, einen Deutschen ceylonesischer Herkunft. Sein Traum ist es, Hotelfachmann zu werden. Aber eine Netzhautablösung bei beiden Augen reduziert seine Sehkraft auf 5 Prozent und auch die sieht er nur verschwommen, das nutzt die Kamera weidlich aus für verschwommene Sichtweisen.
Wie er das verstecken kann und wie er sich durch seine Lehre durchtrickst, das ist eine ungewöhnliche Geschichte. Sie wird hier leider verkitscht und verschnulzt, mordsmäßig veroberflächlicht.
Zum Glück gibt es im Hotel Bayerischer Hof in München lauter verständnisvolle Mitarbeiter, vielleicht nicht ganz so smart wie in Wirklichkeit. Und dann ist da noch der Mitlehrling Max (Jacob Matschenz), der mit Saliya gemeinsame Sache macht und mit ihm übt oder ihm aus der Patsche hilft.
Und wie es sich für eine Rezept-Geschichte gehört, kommt nach einer Stunde ein große Krise, nach 90 Minuten die Katstrophe und es bleiben noch 20 Minuten, um die Dinge wieder einzurenken, um jeden Handlungsstrang ordentlich zu einem Ende zu bringen.
Es ergeben sich Komplikationen aus dem Privatleben, der Vater stirbt und Sali lernt eine blonde Frau mit Kind kennen (Anna Maria Mühe); auch das gefährdet den Balance-Akt, oder wie Max es einmal nennt, das Kartenhaus, was er sich da in Jahren mühevoll aufgebaut hat.
Nach 90 Minuten kotzt übrigens Saliya, ein Phänomen, was inzwischen in fast jedem deutschen Themen- oder Problem-Film vorkommt und die Wetten der Kritiker laufen vor den Screenings, nach wie vielen Minuten das der Fall sein wird.
Kostja Ullmann und Jakob Matschenz spielen das wirklich gut mittemang in einem Holter-die-Polter-Cast, wie ihn Frau Volkhardt, die rührige Inhaberin dieses Luxus-Hotels, nicht unbedingt einstellen würde.
Interessant wären die Rahmenverträge, die sie mit der Filmproduktion geschlossen hat, denn wenn man sein Hotel schon zur Verfügung stellt, dann darf kein Makel sichtbar werden (hier gibt es keine Kakerlaken in der Küche). Wird auch nicht. Die Unglücke, die passieren, sind sorgfältig rollen- und schwachsichtigkeitsbedingt.
Insgesamt haben die Filmemacher den Teig für dieses Weihnachtsplätzchendrehbuch allerdings zu dünn und somit zu breit ausgewalzt, weil sie auch noch einen Hotelfach-Lehrfilm draus machen wollten, als PR fürs Gewerbe.
Wobei die Bewältigung der Blindheit doch recht traumhaft leicht geht. Ein aufbauender Augenkrankheitsfilm. Ein Mutmachfilm. Auf den äußeren Effekt hin erzählt. Ausgehend von der realen Geschichte wollten die Autoren so viel wie möglich reinpacken, dadurch wird es zu viel und der Film zu lang.
Es scheinen einige grundsätzliche Überlegungen, was hier wirklich erzählenswert und spannend ist, nicht gemacht worden zu sein; eher scheint es die Frühstücksküchentischdrehbuchschreibmethode: die Originalgeschichte liegt da, wird von den Autoren Seite für Seite durchgeblättert und auf drehtaugliche Szenen abgeklopft. Dabei geht der Hauptkonflikt der Hauptfigur flöten, wird auf anekdotische Tauglichkeit reduziert. Wodurch die Filmfigur nicht die Stärke entwickeln kann, die sie verdiente und die sie erst richtig erinnernswert macht. Hier mussten Oberflächlichkeitschecks ausreichen. Markante Sehschwäche des Drehbuches.