Dieser Film von Bruno Dumont (Kindkind) illustriert eine Beruhigung für die Clans des industriellen Kapitals, nämlich dass die leicht degenerierten van Peteghems, wie die stellvertretend für diese Schicht hier fungierende Familie heißt, nicht untergehen werden.
Möge der Film ebenso der Beruhigung der unteren Schichten, der Muschelsammler und Elenden, für die hier die Familie Rohbrecht steht, dienen. Sie brauchen sich gar nicht erst Hoffnungen machen und können so viele Menschen fressen, wie sie wollen. Dies ist vielleicht Ausdruck der verzweifelten Erkenntnis von Bruno Dumont, dass sich so gar nichts ändern lässt am Lauf der Dinge.
So erzählt er sie, um sie wenigstens bildnerisch aufzuwerten, in der Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts an einem malerischen Flecken Dünenland in der Nähe von Calais. Sein Stil wird prinzipiell, wenigstens das, gegen den korrekten Strich gebürstet, die Darsteller agieren einen Tick zu theatralisch, entwickeln eigenene Gänge der Dekadenz – Commedia-del-Arte-haft – , der Brüchigkeit, die individualphysisch bleibt; den Tschechow an seinem Stück inszeniert er einen Mü zu wenig subtil und den Slapstick á la Dick und Doof einen Mü zu wenig tortenschlachthaft und in die eine oder andere Figur lässt er einen Mü George-Grosz-Sichtweise einfließen.
Die von Peteghems haben hoch überm Meer in der Normandie eine Mordsvilla (im ägyptisch-ptolemäischen Stil, wie sie sagen) hingestellt, halb Fort und verbringen dort die Sommerfrische. Das sind André (Fabrice Luchini) und seine Gattin Isabelle (Valeria Bruni Tedeschi) mit ihren beiden halbwüchsigen Töchterchen und mit der Nichte Billie, die sich gerne als Bub verkleidet, dann stößt ihre Mutter Aude dazu (Juliette Binoche) und auch deren Mann Christian (Jean-Luc Vincent). Sie haben Personal und fahren ein grandioses ‚Typhorium‘.
Die Armen sind die Familie Rohbrecht mit Papa (Thierry Lavieville) und Mama (Caroline Carbonnier), drei frechen, verlausten Buben und dem bereits großen Ma Loute (Brandon Lavievielle), so heißt der Film auch auf französisch.
Ma Loute ist der lebende Beweis, zwar auch für die Liebe, nämlich zu Billie, also über die Schranken der Klassengesellschaft hinweg, aber auch dafür, dass die Dinge wie immer ihren Lauf nehmen.
Als Symbol für die Staatsgewalt steht das Dick-und-Doof-Duo von Herrn Dings und Malfoy. Herr Dings, der Zivilpolizist, ist etwas aufgebläht, fällt leicht hin und bekommt auf der Tonspur für jede seiner Bewegungen ein spezielles Geräusch, was die Figur nicht weniger kasperlhaft macht. Die beiden sollen aufklären, weshalb an diesem schönen Küstenstreifen immer wieder Menschen verschwinden. So wie die Figuren charakterisiert sind, ist nicht allzuviel Aufklärung von ihnen zu erwarten, ein kleiner Gruß an einen mit sich selbst beschäftigten Staat.
Schöne Bebilderung der Klassenschicht ist auch das Fährgeschäft über ein kleine Bucht: bei nur einzelnen Passagieren werden diese von den Bruforts auf Armen rübergetragen.