Die Diva, Thailand und wir (ARD, Mittwoch, 11. Januar 2017, 20.15 Uhr)

Und die Diva war doch nur ein kettenrauchendes Flittchen.

Die Familie Neundorf plant einen Urlaub in Thailand. Von ihrer Großmutter erhalten alle vier Mitglieder, Vater, Mutter, halberwachsene Tochter und präpubertärer Sohn je einen identischen Thailand-Reiseführer, offenbar als Scherz gedacht von den Drehbuchautoren Aglef Üschel und Franziska An der Gassen. Die Regie, die die Familie kaltschnäuzig herzlos inszeniert, falls bei der hier vorgeführten Abblattspielerei von Regie überhaupt gesprochen werden kann, führt Franziska Buch.

Die titelgebende Diva, das ist die Oma. Die ist mit der echten Diva Hannelore Elsner besetzt. Die erliegt dem Irrtum, sie müsse das, was sie eh schon ist, auch noch spielen. Das ist ganz furchtbar. Herauskommt dabei eine knallverrückte Alte mit teils kindischen Allüren, gestolperte Schauspielkunst mit Lispelansatz. Der Regie fehlt offenbar das Urteilsvermögen, das zu sehen; außerdem gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Frau Elsner das irgendwie divenkritisch oder divenironisch anlegt.

Dieser Diva wird ein an sich dankbar zu spielendes Schicksal zu teil. Sie wird aus ihrer Wohnung rausgeworfen, landet obdachlos in einer Unterführung, spielt dort einen Zusammenbruch wie auf großer Bühne, worüber des Sängers Höflichkeit lieber schweigt, landet im Krankenhaus, dort wird ein Tumor festgestellt und ihr eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung vorgeschrieben. Die Autoren benutzen diese Situation um deutlich zu machen, wie schwierig es in unserem Lande sei, so eine Betreuung zu organisieren. Sozialkritischer Mahnfinger von Aglef Püschel und Franziska An der Gassen. Die Betreuung ist nötig, weil die Familie nach Thailand fliegen will (oder vielleicht vor allem das Filmteam).

Wenn in einem deutschen Film zur Zeit gekotzt wird, dann ist das als Indiz zu sehen dafür, dass die Autoren beabsichtigen, einen ernsthaften Themenfilm zu machen. Das ist hier nach einer dreiviertel Stunde der Fall.

Dieses ernste Thema ist die Rund-um-die-Uhr-Betreuung, die für die kettenrauchende Diva verlangt wird. Weil sich auf die Kürze bis zum Abflug nach Thailand niemand findet, schickt das Autorengespann die Oma als Problemchicken mit nach Thailand. Hier soll sie für Dramatik und Spannung sorgen. Sie wird viel rauchen.

Die Autoren verplotten ihr Thema so: die Familie ist auf einer Insel. Hier gibt es eine Altersresidenz für Europäer (das ist auch ein Infogehalt, den das Fernsehen seiner alternden Klientel wohl schmackhaft machen will: dass in Thailand Pflege viel billiger ist als in Deutschland). Die Tochter legt die Diva rein. In Trickgaunermanier schiebt sie der Mutter einen Vertrag für die Residenz unter, den diese dümmlich unterzeichnet. Eine Handlung, die durch die bisherige Charakterisierung (falls überhaupt von einer solchen gesprochen werden kann) der Figuren und deren Verhältnis zu einander wie aus der Luft gegriffen scheint. Die Tochter als ein mieses Stück Mensch. Haarsträubende Unglaubwürdigkeit in einem papierstrotzenden Drehbuch.

Dass es sich um typische Fernsehware handelt, zeigt auch der verräterische Satz „Was machst du denn hier?“. Oder die Dialoge schwingen sich zu vernünftelnden Sätzen hoch: intellektuell sich vorkommende Autoren schreiben Figuren, von denen sie offensichtlich keine Ahnung haben und die sie in keiner Weise fundieren, Allgemeinsätze zu, die sie für toll halten, wie
„ … oder musst du irgendwas aus Deinem langweiligen, pickeligen Teenieleben posten?“.
„Deinen Biohaferbrei kannst du auch wieder mitnehmen, dagegen war der im Krankenhaus Haute-Cuisine“.
„Was machen wir jetzt?“ (da hört man förmlich die Ratlosigkeit der Autoren heraus)
„Ich kann Euch hören, bin gleich nebenan.“
„Wie viel für Mord und Totschlag?“
„Die Nacht war Horror, Mama, ich bin fast erfroren.“
„Dann zieh dir doch was Wärmeres an.“
„Ich hätte gerne mal ein Gutnachtlied gehört.“
„Gut, dass wir nicht so aufeinander gehockt sind, man kann sich seine Familie nicht aussuchen.“
„Hoffentlich geht das nicht in die Hose.“
„Ich hab einen Bärenhunger.“
„Warum bist du nicht gestorben bei dem Scheißschlaganfall.“

Dafür also werden wir vom Staat gezwungen, Zwangsgebühr zu bezahlen, um Autoren vernünftelnde Sätze dreschen zu lassen und um Frau Elsner dauerrauchen zu sehen? Frau Elsners entlarvender Divenbegriff.

Nach nicht mal 20 Minuten sind sie alle in Thailand.
In so einem Fernsehquak wird nichts richtig ernst genommen.
Es ist alles so offensichtlich daraufhingeschrieben, dass Frau Elsner eine Rolle bekommt, dass man in Thailand drehen kann, um alibihalber noch das Thema der Unterhaltspflicht von Kindern für die Eltern runterzunuscheln.

Wenn ein Kleid so zusammengenäht wäre, wie dieses Drehuch gearbeitet ist, dann würde es schon beim Hineinschlüpfen platzen.

Die Mutter der Kinder spielt einen Schuh runter absolut für sich, daneben kann die Welt einstürzen, sie würde einfach weiterspielen. Wirkt wie beim Jogging eingepaukt. Überhaupt tut sich so gar nichts zwischen den Darstellern. Sie liefern kalt kasperlhaft ihre Texte ab. Keiner hört keinem zu. Zwischen ihnen könnte eine Wand stehen, es würde sich nichts an ihrer Performance ändern. Es passiert nichts zwischen den Figuren. Der Papa ist ein gutmütiger Clown, er schwankt wie eine Palme im Wind aus Hohlheit, den die Frauen machen. Alle spielen aneinander vorbei. Und schon raucht die Diva wieder.

Litaneien über Kaffe und Frühstück: nicht nachvollziehbar, was das mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seinem Grundauftrag zu tun haben soll. Drehbuchdilettantismus. Sie können nicht die einfachsten menschlichen Beziehungen in so einem Drehbuch plausibel entwerfen (stattdessen die Vernünftelei in den Texten mit der Folge: Unglaubwürdigkeit von Figuren und Handlung). In jeder anständigen Firma würden Leute, die so lausige Arbeit abliefern, hochkant rausgeschmissen.

Gestus und Texte der Diva klaffen auseinander wie ein Bruch in der Erdrinde nach einem Erdbeben der Stärke 8.

Ohne das zwangsgebührenfinanzierte Pfründensystem würde so ein lausiger Film nirgendwo auf der Welt hergestellt und finanziert werden; so aber werden wir 90 Minuten mit Drehbuchexkrementen gequält. „Scheiße, Scheiße, Scheiße“, ruft das Mädel in der Nacht im thailändischen Dschungel. Da ist aus der Diva eine besorgte Oma im knallroten Minikleid geworden, so was von bescheuert, Rolle voll vergessen. Die gütige, vermittelnde, einsichtige Oma. Und spricht uns aus dem Herzen: „Ihr geht mir auch auf die Nerven“. Um anzuschließen: „Sollen wir nicht mal etwas richtig Unvernünftiges machen?“ Das wirkt besonders peinlich, weil die Figuren als Vernünftler eingeführt wurden. Wenn die Vernünftler die Vernunft, die sie gar nicht haben, hinter sich lassen auf der Full-Moon-Party, da bleibt nur Party-Ödnis, die jeder Hochschüler lustiger filmt. Dann muss, weil die Sendezeit immer noch nicht vorbei ist, die Oma noch anbandeln mitm Opa. Oh Pein, lass nach, wo sind wir hier gelandet?

Nicht eine einzige, natürlich-glaubwürdige Situation.

Und jetzt noch die Annäherung zwischen Oma und dem pubertierenden Mädel. Kleinmädchenträumerei. Kitschwelt. Vom Habitus der Diva ist nichts mehr übrig geblieben. Ganz schnell ist die Rolle wie ein schales Kostüm von der Darstellerin abgefallen. Aber es ist nichts stattdessen zum Vorschein gekommen, außer bemühter Schauspielschulschauspielerei. Und dann Erinnerung: Moment, „das Monster in der Familie bin ich“ – so wurde uns das allerdings nicht performativ mitgeteilt.

Mangels Erzähl-Substanz folgt Souvernirshopping. Denn das Monster ist theoretisch längst Mensch geworden (faktisch war es nur eine kettenrauchende Egozentrikerin). Ejaculatio präcox des imaginierten Höhepunktes. Jetzt muss die restliche halbe Stunde noch mit Folklore und Drogen angefüllt werden. Besuch in thailändischen Familienverhältnissen.

Aha, wir sind tiefgründig: „Wie würdest du am liebsten sterben?“

Dann verstehen sich plötzlich die Diva und die Tochter und unterhalten sich traut und die Wellen des Meeres rauschen.

Ach so, jetzt muss das Zimmer für die Alte frei werden und dadurch erfährt sie überhaut erst davon, was ihre Tochter mit ihr im Sinne hatte, sie in der Alters — oh, Moment, wir bitten um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit, jetzt bricht die Diva schon wieder mit großem Gestus zusammen. Die Drehbuchautoren haben den Tumor reaktiviert.

Und schon ist die Abendgala. Am vorderen Eingang ist heller Tag, und kaum sind sie über die Brücke gegangen, ist Nacht.

Und dann noch Ballons, Barmusik – ist die BR-Redakteurin Birgit Metz taub, stumm, blind oder gar Analphabetin, dass sie so ein Geworge zum Drehen frei gibt? Wir Zwangsgebührenzahler kommen für ihren Lohn auf. Es fördert nicht gerade das Vertrauen in den Staat, dass er uns zwingt, solche Gaga-Figuren zu finanzieren, denkt sich der Zwangsgebührenzahler.

Es bleiben noch zehn Minuten, den verschollenen (und längst vergessenen) Papa mühsamst für den Schlussapplaus auf die Bühne zu holen.

Mit solchen Produktionen stellt sich das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen selbst den frühzeitigen Totenschein aus. Annahmeverweigerung wegen grober Mängel. Da kriecht der kalte Zorn in einem hoch, dass der Staat einen zwingt, mittels der Zwangsgebühr, solch unseriöse Fernsehware zu bezahlen (die noch dazu ein vernünftelnd-kitischiges Menschenbild propagiert, was konfliktallergisch und ergo antidemokratisch ist; Jargon der Eigentlichkeit; Vernünftelei ist Gift für die Demokratie, Auseinandersetzung und Konflikt sind deren Lebenselixir).

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

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