Paterson

Jim Jarmuschs (Only Lovers Left Alive) geschmackvoll-gediegenes Designkino als lässige Hommage an die Ortschaft Paterson in New Jersey und die dortigen Lebensroutinen, die dann doch vom Kino träumen oder vom Großrauskommen, auch wenn für die Cupcakes von Laura (Godshifteh Farahani) am Bauernwochenendmarkt nur 286 Dollar rausspringen und die handgeschriebene Lyrik ihres Mannes Paterson (Adam Driver), einem Busfahrer in Paterson, ein weniger gediegenes Schicksal wiederfahren wird.

Der große Filmkünstler Jarmusch und das Leben der kleinen Leute in New Jersey. Er sieht das ganz genau, beschreibt es ganz genau. Nach dem Film wissen wir, welche Art von Cornflakes Paterson zum Frühstück nimmt, auf was für einer Uhr er nachschaut, ob es Zeit zum Aufstehen ist.

Wir kennen die morgendlichen Positionen von Laura und Paterson im wie frisch bezogenen Bett, nicht durchwühlt, wir wissen, wie peinlich sauber das Haus gehalten wird, als ob es für einen Fotokatalog vorbereitet sei, wir wissen, was Paterson alles in seinem Unikat von Botanisierbüchse nebst belegter Stulle alles drin hat.

Wir wissen, dass Laura nur zuhause ist, allenfalls Pancakes kocht oder an der Innenausstattung arbeitet und davon träumt, Country-Sängerin zu werden, dass sie – mit absolutem Design-Herrschaftsanspruch – die Wohnung in Schwarz-Weiß-Mustern einrichtet und immer noch neu bemalt und dass sie sich Zwillinge wünscht.

Jarmusch erfüllt ihr diesen Wunsch nichterfüllenderweise, indem er im Bus von Paterson gerne Zwillingspaare mitfahren lässt unterschiedlichen Alters und Geschlechtes. Wir wissen auch, dass Paterson selbst dichtet, gut, besonders weht tut es nicht, wenn diese Gedichte am Schluss der Literaturgeschichte verloren gehen. Wir wissen auch, dass er Hemmungen hat, auch nur Fotokopien seines Notizbuches anzufertigen, dass Laura ihn ständig dazu drängt, dass sie möchte, dass er mit seinen von ihr vorbehaltlos bewunderten Gedichten bekannt und berühmt wird und Geld verdient.

Wir sehen auch, dass Paterson die Zeit am Steuer bis zum Start der ersten Fahrt mit Dichten verbringt, auch die Pausen an der Endstation in einer newjerseyhaft pittoresk zu nennenden Landschaft aus Fabrikbauten, Wasserfall, Eisenbahnbrücke und etwas Natur. Und wir bekommen das tägliche Routinegespräch zwischen ihm und seinem Chef mit, der auf die Routinefrage wie es gehe, anfängt, sämtliche Unzulänglichkeiten seines Lebens aufzuzählen.

Wir verfolgen die Lebensrituale dieses Paares eine Woche lang, von Montag bis zum nächsten Montag. Die Wochentage sind die Einteilungen des Filmes. Und wir stellen uns vor, dass Jim Jarmusch vielleicht in einem ähnlichen Kellerbüdchen wie Paterson es für sein Dichten hat, seine dekorativen Filmen austüftelt, designt und vorbereitet und würden uns glatt die Vermutung erlauben, es handle sich hierbei um ein verstecktes Selbstportrait des Filmemachers, der es aber sicher nicht nötig hat, als Busfahrer zu arbeiten.

Wer will, kann versuchen diesen Film auf Tiefsinn hin zu hinterfragen und zu interpretieren und wird damit gut beschäftigt sein und wer das nicht will, kann sich lediglich darüber freuen, dass beispielsweise die Schachtel einer bestimmte Marke von Streichhölzern („Ohio Bluetip“) Paterson lyrisch inspiriert.

Oder man könnte sich genauso gut von der Eintrittskarte in diesen Jarmusch-Film zum Dichten verleiten lassen. Man könnte sich aber auch zu dem Satz verführen lassen, Jarmusch sei mit seiner Filmerei auf den Hund gekommen, weil die zentrale Figur um Poesie und Cupkakes die englische Dogge Marvin ist, die alles, was sie von dem Ehepaar mitbekommt, auf einem herrschaftlichen Sessel kommentiert.

Den Film als „Die Poetik des Jim Jarmusch“ zu bezeichnen, das wollen wir uns verkneifen.

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