Schrecklich gut gemeint.
So familiär münchnerisch wie aus dem Münchner-Filmschickeria-Gemüsegärtchen der Menschen, die guten Willens sind, mit dem durchgehenden Untertext, wir tun was gegen Fremdenhass, wir tun was für die Flüchtlinge, auch wenn es uns nicht leicht fällt. Eine nette Münchnerei.
Wir machen eine Art Lehrfilm, wie das geht mit der Aufnahme eines einzigen Flüchtlings, Diallo (Eric Kabongo) aus Nigeria, der vor Boko Haram geflohen ist und seine ganze Familie verloren hat, wir nehmen ihn auf. Wir, das ist eine Arztfamilie aus dem Reichen-Stadtteil Grünwald von München.
Vater (Heiner Lauterbach) hat gerade eine near-end-life-crisis oder wie man das bezeichnen soll, seine Ausfälle in der Familie oder bei der Arbeit kommen launisch daher – er operiert Knie, Schultern, Hüfte.
Seine Frau (Senta Berger; überwiegend unvorteilhaft gekleidet) ist Alkoholikerin, das wird zwar erst nach einigen Augenroll- und Blickwerfübungen klar (im Gegensatz zum großem Opernvorhang in Satte Farben vor Schwarz lässt es die Diva hier zu Beginn, ebenfalls einer Ehebett-Aufwachszene, diesmal schnarcht Heiner Lauterbach neben ihr und nicht Bruno Ganz, bei zwei kleineren Augendeckelöffnungsvorgängen bewenden). Sie schleppt im Garten auch mal schwere Pflanzen, bleibt mit denen wie angewurzelt stehen, wenn ein Dialog eingeplant ist.
Man will selbstkritisch Münchner feine Verhältnisse schildern und es gibt eine Ehe-Kontroverse, wie Mama sich entscheidet, einen Flüchtling ins Haus zu holen.
Die Kinder sind ausgeflogen. Es ist Florian David Fitz, der ein weltweit operierender Manager ist, geschieden, sein 12-jähriger Bub ist bei ihm. Später im Film wird sich unverhofft herausstellen, dass er unter einem Burn-Out-Syndrom leidet.
Familiengeschichten verästeln sich gerne. Da ist auch noch die Tochter, von der der Vater befürchtet, dass sie mit dem Studium nicht zu Potte kommt.
Der Flüchtling im Haus wird ständig alle nach ihrem Zivilstand fragen, wird die Älteren als alt bezeichnen, versteht nicht, dass eine junge Frau mit 30 nicht verheiratet ist, will die Ehe der Hartmanns kitten, die Tochter des Hauses mit dem Fittnesstrainer Elyas M‘ Barek verkuppeln. Aber da hat die Verästelung schon gegriffen. Elyas arbeitet als fescher Arzt bei Dr. Hartmann, hat mit diesem ständig Krach und war vorpubertär eh schon verliebt in das Mädel.
Schließlich rettet der Flüchtling auch noch ein Referat des 12-jährigen Enkels, der vor allem mit frühreifem Hip-Hop (ein Wort, das die Oma wiederum wie beim Bauerntheater nie richtig über die Lippen bringt) köstlich sein soll.
Das ist lange nicht alles. Es gibt die böse Nachbarin wie im Klischee, wie überhaupt die kleinen Chargen recht lieblos behandelt werden, ferner die Freundin des Hauses, die eine irre Willkommensparty organisiert, es gibt den Chef des Flüchltingsheimes, der ist recht natürlich (Eisi Gulp) mitten in diesem teils eher betulichen Boulevard-Theater, wobei die Männer mit Komödienpower deutlich mehr Figurenpep in die Geschichte einbringen, sich durch die beachtliche Konkurrenz anstacheln lassen, – auch Uwe Ochsenknecht als Schönheits- und Wellnessdoktor und Freund vom alten Hartmann.
Bis die Münchner über die eigene Trägheit und Betulichkeit (zu dem Eindruck trägt die Musik das ihre bei) gestolpert sind, ach, es musste noch so viel rein in das Buch (von der rechten Mahnwache über den Islamisten im Asyllager bis zum Doktorenausflug mit heißen Mitarbeiterinnen in lauter Disco, dem Vogelhäuschen mit Moscheekuppel und der Psychiatrie und und und) und alles zu einem guten Ende kommt, vergehen über zwei Stunden.
Ein Familiennachmittag, an dem die Familie letztendlich einig ist, dass man was tun muss für die Flüchtlinge. Dass man dann doch nichts tun kann, außer einen schrecklich gut gemeinten Film zu drehen, zeigen die Antworten von Protagonisten in den Klatschspalten nach der Premiere. Auf die Frage, ob sie denn in ihren Villen in Grünwald oder am Starnberger See jemanden aufnehmen, kam die klare Ansage, dass das nicht in Frage kommen, denn sie seien ja soviel unterwegs. Also merke: je leerer eine Villa steht, desto weniger kann sie jemanden aufnehmen. So ist das halt, wenn etwas nur schrecklich gut gemeint ist.
Und man kommt ins Sinnieren, was wohl ein Helmut Dietl mit seiner scharfen Beobachtungsgabe und seiner peniblen Spracharbeit aus dem Stoff gemacht hätte. Hier stammen Buch und Regie von Simon Verhoeven.