Doctor Strange

Doktor bitte, Doktor Strange, nicht Professor, nicht Meister, so korrigiert Dr. Finster, wie Benedict Cumberbatch diese Comicfigur anlegt, seine ihm angemessene Anrede, ein Running Gag, der gegen die Humorlosigkeit dieses Unternehmens „Marvel goes Okkultismus“ ankämpfen soll nebst Gags um der Gags und um des Lachens willen; denn die Substanz ist dünn und verlangt auch von den Schauspielern, namhafte Weltriege, wenig Differenzierungs- oder Emotionsvermögen; eingleisig funktioniert am besten.

Doktor Strange ist ein hochspezialisierter Neurochirurg, einer der besten, seiner Ansicht nach der beste überhaupt. Er hat eine Sammlung teurer Uhren und fährt einen Spitzensportwagen mit Overdrive, der auf enger, bergiger Kurvenstrecke auf kürzeste Distanz überholen kann. Diese Dinge sowie die Actionsszenen, die Hokuspokusszenen, die Spiegel- und Irrgarteneffekte, die beherrscht Regisseur Scott Derrickson (Erlöse uns von dem Bösen, Sinister, Sinister II), der mit Jon Spaihts auch das Drehbuch geschrieben hat, aus dem Effeff. Augen und Ohren sind dauerbeschäftigt, der Geist allerdings weniger.

Doktor Strange, dem sein Titel so wichtig ist, an einer Stelle begründet er das sogar treuherzig moralisch, macht mit seinem Sportwagen einen Ausflug in eine bergige Gegend, passt einen Augenblick bei mörderischem Überholtempo nicht auf, kommt ins Schlingern, touchiert einen anderen Wagen, der auch gut unterwegs ist, spektakulär gefilmt stürzen beide ab.

Der Doktor kann gerettet werden, ist aber in der misslichen Lage, dass er just einen Spezialisten, wie ihn selber, bräuchte. Seine Kunst ist eingangs detailreich anlässlich der Entfernung einer Geschoßkugel aus einem Gehirn augenfällig plausibel dargestellt worden; hierbei wird auch seine Operationsgehilflin Christine Palmer (Rachel McAdams) vorgestellt, die immer wieder auftauchen wird; die beiden lassen momentweise eine Ärzteromanze erwarten; die einzigen zwei Figuren im Film, die die Ahnung des Ansatzes der Entwicklung einer Beziehung zueinander zulassen.

Die Aussichten für Doktor Strange, ganz zu genesen und wieder arbeiten zu können, sind negativ. Die Schulmedizin wird ihm nicht helfen können, die Hände werden zittern, nur mit Mühe kann er sie überhaupt bewegen, auch solche Dinge erläutert Derrickson bildlich eindringlich.

Dann hört Doktor Strange von einem Sportler, der ebenso schlimm drangewesen sei und bei dem keine Hoffnung bestand, seine Bewegungsfähigeit je wiederzuerlangen. Heute sei der Sportler topfit. Das interessiert Doktor Strange. Die Aussichtslosigkeit lässt Patienten für Wunderheiler und Okkultismus hellhörig werden.

Strange hört von Kamar-Taj, einem mystischen Ort in Nepal.

So beginnt die Reise seiner Heilung durch Aberglauben und Gurubelehrung durch die Glatzköpfige (Tilda Swinton), religiöse Kultstätten, labyrinthische Spiegelkabinette, magischen Zirkus und Geisterbahn gleichermaßen, Mystizismus und Kämpfe und Zeitsprünge und Spiegel-, Prismen und Kaleidoskopeffekte sowie weiteren Postproduktions-Hokuspokus, basierend auf den Topoi religiöser Kultstätten des katholischen Westens wie des buddhistischen Ostens. Die Glatzköpfige setzt Strange – immerhin hat er die Hilfe eines Selbstkämpferzaubermantels – in ihre Auseinandersetzung mit dem Bösewicht Kaecilius (Mads Mikkelsen) ein. Dieser hatte, das war die Einführungsszene, ein Blatt aus einem okkulten Buch im Gral der Glatzköpfigen geklaut und wird somit zur Gefahr. Wie diese okkulten Bücher in eigenartigen Kettengefängnissen gehalten werden, zeigt Derrickson trickreich. Dadurch, dass die Glatzköpfige Doktor Strange in ihren Kampf miteinbezieht, verschiebt sich das Filmende bis zu dessen Heilung (dann war es doch ein Heilsfilm!) auf gegen zwei Stunden. Wie im richtigen Leben: immer kommt etwas dazwischen.

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