Gleißendes Glück

Zum Buch zum Film schreibt der dtv-Verlag „Manchmal ist Glücklichsein so schön, dass es fast weh tut“ oder „Direkt und zugleich entrückt – beides wunderbar balancierend ist A. L. Kennedy ein kleines Meisterwerk gelungen“ (Bernhard Schlink) oder „Unkonventioneller Liebesroman um eine liebenswert weltfremde Protagonistin“.

Vielleicht sieht, wer diesen Erfolgroman gelesen hat, dessen Verfilmung durch Sven Taddicken, der mit 2 weiteren Koautoren auch das Drehbuch geschrieben hat, mit anderen Augen.

Für mich sind jedenfalls die angeführten Beschreibungen mit dem, was ich im Film gesehen habe, nicht in Deckung zu bringen. Hier sehe ich gestörte Charaktere, die in vielen Dialogen und ab und an etwas Blut, die Liebe zerreden und zerreden, sehr gepflegt zerreden. Von gleißendem Glück keine Spur. Auch nicht im Kopf. Denn die Liebe wird im Kopf gemacht, wird im Kopf vorbereitet.

Martina Gedeck als Helene Brindel ist verheiratet mit Johannes Krisch als Christoph Brindel. Sie scheinen keine Kinder zu haben, für ihn ist die Ehe eine Gewohnheit. Er rastet schnell aus und verletzt seine Frau körperlich. Sie kann nachts nicht schlafen, wälzt sich auf dem Boden in ihrem großzügigen Haus, strahlt Depression aus und auf den Tonspur kommt ein Mix aus TV-Tönen. Sie strahlt das Dunkle, Böse, Paranoide einer verstörten, manischen Frau aus, so gut und so überzeugend, dass wirklich keine Freude aufkommen kann.

Martina Gedeck spielt weiter die Gestörte aus der Wand. Sie entdeckt den Wissenschaftler Eduard E. Gluck, der ein Buch Neue Kybernetik geschrieben hat, das mit der Ehe und Paaren und Sex zu tun hat und als Begründungsmuster für die Liebe auf physisch-physiologische, ja chemische Prozesse zurückgreift – was der Behauptung von Helene, sie habe Gott verloren, recht gibt.

Helen reist dem Kybernetik-Wissenschaftler (Ulrich Tukur) nach Hamburg nach, spricht ihn an. Sie treffen sich und führen nun seitensprungweise platonische, aber ziemlich verklemmte Dialoge, sie macht auf ihr Leiden, das sie glaubwürdig spielt, aufmerksam, während Tukur überzeugend den Wissenschaftler gibt, der nie ganz bei der Sache ist, sich aber auf eine der ersten Bemerkungen von ihr gleich die Haare schneiden lässt.

Geht es um Paartherapie? Oder wie ein Bild gegen Ende zeigt, gar um Psi-Kräfte und dann noch um einen letzten Stream-of-Consciousness?

Der Film ist in Kapitel eingeteilt, die darlegen, um welch papierenen Wust es sich beim Drehbuch handelt. Es geht um die Frage, Wo bist Du?, um Neue Kybernetik, modernen finnischen Tanz, Paraphilie, Rekonditionierung, so weit wirkt der Film wie ein Ehe- oder Lebensberatungsstück in der Art von Volkshochschulverständlichkeit, es gibt aber auch den langen Zwischentitel “Die Ehe ist eine Brücke, die man täglich neu bauen muss, am besten von beiden Seiten“ und es geht nach einem Zwischenabstecher „Berlin“ mit „Und dein Wille geschehe“ dem Ende zu; da hat sie Gott wieder gefunden – oder das gleißende Glück, das sich der Zuschauer hier schon selber ausmalen muss. Oder sieht er es als solches, wenn Martin Gedeck Striptease vor Tukur macht und er ihr die Mösenhaare rasieren darf? Die Schauspieler tragen das mit angestrengter Konzentration vor.

Gedeck zelebriert gekonnt ihr Unglück. Es geht um Märtyrer, den Glauben, spirituelle Erfahrungen und religiöse Gefühle und ob das alles nur Chemie sei. Gedeck spielt einen ziemlich schweren Fall in einem ernsthaft seriösen, todernsten Eheberatungsfilm. Eher: lähmende denn gleißende Liebe dank der dunklen Strahlen von Martina Gedeck.

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