Ein Bayerischer Medizinskandal.
Mein Problem mit diesem Film, hinter dem viel Herzblut aller Beteiligten und eine ungeheuerliche Geschichte steht, ist, dass er fürs Fernsehen (ZDF und arte; an sich verdienstvoll, so einen Skandal bekannt machen zu wollen) produziert worden ist und jetzt von mir auf seine Kinotauglichkeit befragt wird, da er sich auf die große Leinwand begibt.
Zu seinen Gunsten sei vermerkt, dass er zumindest in Bayern auf eine gewisse Resonanz hoffen dürfte, da er in Bayern spielt und im Dialekt gedreht ist, was fürs Kino ein Vorteil ist.
Es ist die Leidensgschichte von Angelika Schwarzhuber aus der Oberpfalz, die Christian Lex die Infos für das Drehbuch gegeben hat, welches Hans Steinbichler in seiner kinoaffinen Art am Puls des Gefühls (und nicht der Konflikte!) gerne auch lichtdurchflutet verfilmt hat, allerdings in diesem unsäglich hektischen Fernsehangstvordemwegzapp-Rhythmus, was für das Kino sich als Nachteil erweist.
Aber nicht nur das. Schwerer wiegt, wie Christian Lex die Geschichte aufzäumt. (Aber wie soll er es besser können, in einem Land mit darniederliegender Drehbuchkultur?). Er vergeheimnisst so vieles, was der Zuschauer von Anfang an wissen müsste. Erst ganz am Schluss wird klar, dass es sich um einen ausgewachsenen Medizinskandal handelt. Aber so erzählt er ihn nicht.
Zudem schneidet er zwei Gerichtsszenen, die etwa im Generationenabstand stattfinden, wild ineinander (oder sind andere für diesen Verschnitt verantwortlich zu machen?), Rückblenden zur schweren Jugend der Protagonistin, Romy Butz als Magdalena Schneider und sie als Ewachsene wiederum vor Gericht stehend, es ist lange nicht klar, in welcher Funktion.
Außerdem sind die Frauen im Generationenabstand viel zu ähnlich gecastet, was zwar gut gemeint ist, aber für den Outsider Verwirrung stiftet, wer ist das jetzt wieder, um welchen Prozess handelt es sich gerade, um was geht es gerade in diesem und jenem Prozess. Lauter essentielle Informationen, die dem Zuschauer vorenthalten, zumindest schwer gemacht werden.
Außerdem wird der Zuschauer zum Kriminalisten verdonnert, der anhand von spärlichen Rahmenangaben herausfinden soll, wann welche Story spielt und es verwirrt ihn zusätzlich, wenn von einem Zeitpunkt ein halbes Jahr vor Anfang 2002, also Mitte 2001 noch in Mark gerechnet wird (hier geht es um einen Termin bei einem Spezialisten an der amerikanischen Ostküste). Ein andermal taucht kurz ein Sterbebild von einem jungen Mann auf, allerdings so kurz und die Zahlen von Geburt und Tod so klein zu sehen, dass ich die gar nicht lesen konnte.
Das scheint ein häufiger Kapitalerzählfehler im deutschen Fernsehen zu sein, zuletzt gesehen bei Bergfried, dass die Autoren glauben, wenn sie ihren Inhalt vergeheimnissen, dann würden sie Spannung erzeugen; heute am Start nach diesem Prinzip: Jonathan. Insofern ist auch hier jeder Versuch einer Inhaltsbeschreibung reines Spoilern.
Der Markt wird darauf keine begeisterte Antwort bereithalten. Umso mehr tut es einem leid für den Einsatz der Mannschaft. Verkomplizierend zum Medizinskandal kommt eine immer wieder dazwischen geschnittene, verhackstückte Kindsmissbrauchsgeschichte dazu.
Steinbichler tut sich und dem Kinoland keinen Gefallen, wenn er ständig unausgegorene, untaugliche Drehbücher zur Verfilmung annimmt (zuletzt hier besprochen Tagebuch der Anne Frank).
Es wimmelt nur so von erzählerischen Lapsi, wie dem, dass das kleine Mädchen plötzlich zwei ältere Brüder hat, vorher schien es, es sei das einzige Kind.
Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers.