Freifall – Eine Liebesgeschichte (BR, Dienstag, 4. Oktober 2016, 22.30 Uhr)

Einblick in ein modernes Schweizer Frauenleben,

kulinarisch angemacht wie der Saumagen bei den schwäbischen Schwiegereltern in spe der Autodokumentaristin Mirjam von Arx, wobei dieser Saumagen aus den pikanten Zutaten Red-Bull-Extremsport-Movie (hier allerdings ohne den namengebenden Sponsor, der es mit seiner Marke immerhin zu Genrequalität gebracht hat), Tumorfilm und illustrierendem Zitateneschnetzeltem aus Hollywoodschinken sich zusammensetzt.

Autodokumentation. Die Autorin bringt eine Phase ihres eigenen Lebens voller Extreme zum Film, in den Film ein, auf die Leinwand. Sie, die Schweizerin hat im Internet nach dem Mann fürs Leben gesucht. Sie hat den Ingenieur und Fallschirmspringer Herbert kennengelernt.

Kurz darauf erhält sie die Diagnose Brustkrebs, während er ihr erst verheimlicht, dass er Basejumper ist, eine Hochrisikosportart: die süchtigen Adrenalin-Junkies stürzen sich von Felsvorsprüngen, Brücken oder Hochhausdächern in die Tiefe, genießen den freien Fall, drehen sich, schlagen Purzelbäume in der Luft und müssen im richtigen Augenblick den Fallschirm öffnen. Die Todesrate ist hoch.

In Australien ist der Sport bei Höchststrafen verboten. In der Schweiz nicht. Lauterbrunnen mit seinen es umgebenden senkrechten Felswänden ist das Mekka der Basejumper. Die Schweiz und der Tod, ein immer wieder faszinierendes Thema (Multiple Schicksale – Vom Kampf um den eigenen Körper).

Die Bekanntschaft zu Mirjam war gerade drei Monate alt, die Hochzeit schon im Gespräch, da hat es Herbert erwischt. Statt eines Hochzeitsfilmes entsteht nun ein Recherchefilm im Basejumper-Milieu mit häufig dazwischen geschnittenen atemberaubenden Aufnahmen von Sprüngen aufgenommen von Helmkamaras, von Drohnen, aus dem Tal oder von der Absprungstelle aus.

Die Filmemacherin will dem Kick, diesem Kitzel des Todes bei dieser Sportart auf den Zahn fühlen. Sie interviewt den dicksten Freund von Herbert, Andy, ein souveräner Extremsportler, dem der Sport wichtiger ist als die Familie, sie begegnet einem australischen Ass, anderen Kollegen, Verwandten und Bekannten. Der Familie gegenüber ist so ein Sport verantwortungslos. Da muss sich einer entscheiden.

Der Film wirkt wie ein Beispiel aktiver Trauerarbeit, ist eingewattet in großen Musikscore, der sich an den immer wieder dazwischengeschnittenen, illustrierenden Hollywood-Szenen-Ausschnitten orientiert. Am Ende ist der Tumor verschwunden, die Trauerarbeit abgeleistet und die Frau ist frei für eine neue Beziehung, die wir nicht zu Gesicht bekommen. Aber ein Geschenk davon verbirgt sich schon unter der Filmemacherin sich wölbendem Bauch. Das Leben als Selfie, die Filmemacherin als Objekt ihrer selbst; ein modernes Schweizer Frauenleben.

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