Auf Augenhöhe

Das Thema Kleinwüchsigkeit ist im Kino nicht abendfüllend, geht es letztlich nur um eine Aufsummierung von Vorurteilen und Diskrimierungen.

Dies zu bieten gibt es verschiedene Zugänge. Mit Witz, Geist und boshaft schwarzem Humor. Das haben die Franzosen neulich geboten mit Mein ziemlich kleiner Freund, unterhaltsam und vergnüglich.

Die Deutschen Joachim Dollhopf und Evi Goldbrunner allerdings standen unter den Zwängen des pädagogisch hehren Anspruches der Initiative „Der besondere Kinderfilm“ von ZDF und Kika, (darin gabe es bereits Ente gut!). Die beiden Filmemacher haben sich nicht für Witz, Eleganz, Charme und bösen Humor entschieden, dem öffentlich-rechtlichen Programm zuliebe setzen sie auf den pädagogischen Vorschlaghammer, damit der letzte Fernsehredakteur begreift, dass er Gott dankbar sein muss, dass er klein Kleinwuchs ist. Das ist schon schlimm genug.

Es gibt keine differenzierte Haltung zu einem Kleinwüchsigen. Bei der ersten Begegnung muss so einer gleich verspottet werden und der Bub aus dem Waisenhaus auf Vatersuche, der entdeckt, dass sein Vater kleinwüchsig ist, muss das verstecken, denn kleinwüchsig ist so schlimm, dass es nur mit dicker Zeigefingerpädagogik geheilt werden kann.

Für den Mangel an Humor und damit (nach Curt Goetz) auch an Herzensgüte spricht allein der Vergleich eines Erzählelementes, eines Hundes. In der deutschen Variante kommt eine Szene mit Hund nur im Abspann vor, die dann offensichtlich im immer noch zu langen Endprodukt nicht mehr zu sehen ist. Bei den Franzosen hat der Kleinwuchs, der hier mit dem großartigen, digital geschrumpften Jean Dujardin besetzt ist, als Running-Gag mit einem riesigen Hund zu tun, der bei jedem Betreten des Raumes umrennt, Slapstick pur und rabenschwarzer Humor.

Die Deutschen wollten einen Originalkleinwuchs-Profi-Schauspieler. Sie haben den eindrücklichen Kanadier Jordan Price gewinnen können, was allerdings den diskriminierenden Nachteil hat, dass er nicht die Sprache seines Filmsohnes spricht, sondern mit einer schauderhaft unpersönlichen, tödlich perfekten, seinen Charakter entstellenden Synchronsprecherstimme versehen wurde – so kann kein Gefühl zwischen Sohn und Vater sich entwickeln.

Überhaupt die Besetzung (resp. die Antwort auf die Frage: welchen Darstellern wurde die Gunst gewährt, aus dem Topf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und diverser Filmförderungen zu naschen?), aber vielleicht ist es auch die Regie: die meisten Schauspieler, gerade auch die Kinder, agieren unangenehm gekünstelt, das mag auch an der papierenen Themensätzen liegen, die Dialoge sein sollen, die klingen, als hätte sie ein Computerprogramm mit Küchenpsychologie-App geschrieben. Ausnahme: Anica Dobra als Frau Gonsalves; sie würde man gerne öfter sehen. Das macht vermutlich den wahren Star aus, dass er auch unter laienhafter Regie und mit dilettantischen, lebensfremden Texten glaubwürdig umgehen kann.

David Ossa hat dem Fernsehen zuliebe vermutlich und weil alles ja so schön ist und sowieso nicht richtig ernst, wir spielen das ja nur, eine schmierig-verlogene Soft-Süß-Happy-Musik-Soße drüber gelegt.

Auch das Drehbuch fängt katastrophal an, wenn man es als Geschichte erzählen sollte, würde sie so anfangen „Es war einmal ein Junge, der war im Waisenhaus, spielte andauernd mit den anderen Kindern Ball und hatte kein Problem“. Da ist die Geschichte schon tot, bevor sie angefangen hat. Derselbe missliche Erzählfehler wie er schon eklatant bei Hannas schlafende Hunde von Filmhochschulprofessor Gruber Hannas schlafende Hunde aufgefallen war.

Es mag auch die fahrige Kameraarbeit von Meister Jürgen Jürges nicht zu überzeugen – Ausdruck der Verzweiflung des bekannten Meisters?

Weitere Drehbuchfehlleistung: als erster wird der Name Justin gut hörbar und verstehbar genannt und dadurch noch wichtiger gemacht, dass betont wird, er müsse Englisch ausgesprochen werden. Justin feiert Geburtstag. Justin wird eingeführt, als sei er die Hauptfigur des Filmes und ist doch bloss ein kleiner Nebendarsteller. So verwirrt man den Zuschauer, verleidet ihm das Interesse daran, mitzugehen.

Sowieso scheinen speziell zu Beginn alle sehr überdreht zu spielen, wieso? Die Lust am Waisenhaus? Und einen establishing Shot haben solche von sich selbst überzeugten Meister des Kinos selbstverständlich nicht nötig.

Weitere Erzählschludrigkeit: woher weiß der Junge beim Ruderachter, welcher von den Ruderern überhaupt sein Vater ist? Da sollten diese „Filmemacher“ mal einen Spielbergfilm genau studieren, wie sorgfältig der aufbaut, wie kalkuliert und achtsam er mit der Perzeptionsökonomie des Zuschauers umgeht, wie der Zuschauer nie im Unklaren gelassen wird, woher eine Figur eine Info hat und wie genau die ist.

Dialogbeispiel: „Jetzt mal halblang“ sagt eine Figur, darauf der etwa zehnjährige Bub: „Das ist doch das Problem, dass er halblang ist“.
Dick themenlastig die Frage: „Wie ist es so, einen kleinen Vater zu haben?“

Und noch ein für erwachsene Theoretiker sicher von der pädagogischen Absicht her korrekter und plausibler Satz, dem Buben in den Mund gelegt, zur Sozialarbeiterin: „Warum müssen Sie alles durcheinanderbringen, warum bestimmen Sie eigentlich, wo ich leben muss?“.
Man möchte den Satz gerne variieren: „Warum bestimmen am Leben vorbei verdorrte Fernsehredakteure, was ein guter Kinderfilm sei?“ – „Und warum muss ich als Zwangsgebührenzahler auch noch bezahlen dafür?“.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers an ZDF und KIKA.

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