Kilo to Bravo (DVD)

Ein Antipersonenminenfilm – bis zur Zerreißspannung.

An die Nieren gehender, durchkomponierter Stillstand unter praller Sonne in der Wüste im Afghanistankrieg auf einem Minenfeld in der berüchtigten Helmlandprovinz.

Laut Abspann ist es dann doch nur ein Heldengedenken- und Heldenverehrungskriegsfilm und insofern ein Propagandafilm nach der schrecklichen Begebenheit im Kajaki Minenfeld in einer der gefährlichsten afghanischen Provinzen anno 2006 in der Helmland Provinz, der verlustreichsten Provinz in der Afghanistaninvasion der NATO; über einige der Original-Beteiligten ist im Abspann zu lesen „all continue to serve their Regiments, Queen and Country with pride and destinction“. Und jetzt bitte die Nationalhymne und Fahnenaufzug und strammstehen.

Dabei wirkt der Hauptcontent dieses Filmes von Paul Katis nach dem Drehbuch von Tom Williams alles andere als ein Propagandafilm. Das ist selten im Kriegsfilmgenre: diese hohe Konzentration, der überwiegende Verzicht auf Action, die Umsetzung der unter der Lupe genommenen Situation im Minenfeld von Kajaki mit theatraler Strenge, auch was den Rhyhtmus betrifft, die hauptsächliche Reduktion auf diese enge, verminte Passage eines ausgetrockneten Flussbettes, das an den sandigen Stellen ein nicht erkennbares Minenfeld ist.

Theatral auch insofern als der Hauptheld in einer der letzten Einstellungen wie in einem Bühnenschlussbild am Boden kniet. Auch das ist selten: ein Kriegsfilm, bei dem so viele Soldaten so lange vor allem auf den Knien sind. Denn das Gebiet ist gefährlich, jede Bewegung, ja eine geworfene Wasserflasche kann die nächste Mine zur Explosion bringen.

Theatral beeindruckend ist auch die Dosierung von Ruhe, Zwiegespräch, in der Kadenz von letzten Worten, letzten Witzen und einem letzten Happy Birthday, und auch der Schmerzenssschreiorgien; theatralisch, jedoch verstanden als Mittel zur Verstärkung der filmischen Wirkung, auch was die Schminke der Minenverletzungen betrifft, diese aufgequollenen Lippen, diese verschiedenen Hautfärbungen, die Fleischklumpen, das wäre für jeden Horrormaskenbildner eine Herausforderung; schmerzhafte Details der Erstversorgung von Patienten mit Bein- und Armverlusten, ein quälend langsames Drama, nicht im Sinne von langweilig; harte Kriegskost, nicht für schwache Nerven.

Zur Glaubwürdigkeit tragen auch diese teils kaum verständlichen britischen Dialekte bei und die unendliche Zeit, kaum auszuhalten, die vergeht, bis endlich die rettenden Black Hawks kommen und waghalsig die Verletzten in die Höhe ziehen. Wobei das Sujet schon öfter zu sehen war in Afghanistan-Filmen: eine Patrouille geht los von einem erhöhten, einsamen Ausguck aus, auf welchem vorher die Zeit mit Rumhängen, sportlichen Übungen, Small-Talk über Familie und Sex und Gay und Pricks und Tripper und Fucking und Ratschen zerbröselt wird, mit Zigarettenrauchen und wieder die Gegend beobachten friedlich, fast wie im Sommercamp.

Bald tritt einer auf eine Mine. Das wars dann aber schon mit der Gemeinsamkeit zu anderen Filmen, zum Beispiel der dänische A War. Hier hat der Film sein Zentrum, seine zentrale Schaustätte gefunden, auf die die Filmemacher einen teils kaum erträglichen, schon gar nicht für zarte Gemüter, unbeirrbaren Blick werfen und kaum Details auslassen.

Umso mehr schwebt die ganze Zeit die Frage im Raum, was machen die hier bloß in dieser Einöde? Der Film ist insofern auch aktuell, weil in England eben untersucht worden ist, wie rechtens und berechtigt die Entscheidung von Tony Blair für den Irakkriegeinsatz gewesen ist.

Der Afghanistankrieg dagegen, der ist schon fast vergessen, vor allem: verdrängt. Dass irgendwas am Hindukusch nicht so ganz in Ordnung ist, erfährt man lediglich an den stetig steigenden Zahlen von Flüchtlingen aus Afghanistan. Schöne Inschrift anfangs auf einem Felsen zu lesen: „Please leave all Morale here“. So wirkt der Film als engagierter Kriegsverarbeitungsfilm.

Der Titel ist ein Wortlaut aus dem Funkverkehr.

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