Tangerine L. A.

Wie frisch von der Leber weg.

Dieser rasante Weihnachtstrip mit Handykamera durch Straßen und Bars von L.A. wird dominiert von grellem Sonnenlicht und nicht weniger gnädigem Neonlicht. Nicht eine Weihnachtskerze, kein Weihnachtslied, vielleicht gerade eine Oratoriumsmusik als Sound über einer Szenenfrequenz.

Grell, grell hektisch, so wie echt, so wie es echt sein soll, spielt die Story im Transenmilieu. Sin – Dee (Rella) kommt aus dem Knast. Von ihrer besten Freundin Alexandra, die auch als Sängerin auftritt, erfährt sie, dass ihr Freund Chester Dinah vögle.

Die Eifersucht ist nun die wilde Treib- und Triebkraft, in der immer wieder angesteuerten Location „Donut-Time“ nach dem Freund und dieser Frau zu suchen.

Sean Baker, der mit Christ Bergoch auch das Drehbuch geschrieben hat, lässt sich leiten von der Faszination des Transgenderwesens, des Lebens auf der Straße, der Prostitution und als Running Gag blendet er immer wieder Szenen mit dem armenischen Taxifahrer mit einem Muttermal auf der rechten Wange ein mit einsamen Fahrgästen am Weihnachtsabend, die recht freihändig erfunden scheinen.

Von Taxifahrer lernen wir auch dessen privates Umfeld kennen, seine Schwiegermutter, seine Frau, das hübsche kleine Mädchen. Aber Razmik, so heißt er, nimmt zwischen seinen Fahrten die Dienste von Transenstrichern in Anspruch. Bei Alexandra ist er enttäuscht, dass sie den Schwanz wegdrückt, aber bei Sin Dee kommt er mit Blasen auf seine Rechnung, ja er ist entflammt und verlässt später die Weihnachtsfeier mit vielen Verwandten im Schuhschachtel-Appartment, um Sin Dee wieder zu treffen.

Die Schwiegermutter ist misstrauisch und versucht Razmik zu finden; Karo, ein anderer Taxifahrer findet heraus, dass er keinen Dienst hat; so treibt denn die grelle, freskenhaft skizzierte Story ihrem chaotischen und lauten Höhepunkt im „Donut-Time“ zu, wo die chinesische Chefin das Nachtvolk im Zaume zu halten versucht; denn hier sind schon Sin-Dee, Dinah, die sie aus einem privaten Pornoclub ausfindig und rausgezerrt hat, sowie Chester und Alexandra, die in treuherziger Freundschaft die Story ausgeplaudert und das Drama in Gang gesetzt hat, lautstarkt versammelt. Nun stoßen Razmik und später seine Schwiegermutter hinzu, was die Peinlichkeit vergrößert.

Nach Auflösung der Szene erlebt Sin Dee noch einen Pissangriff von Transenfeinden und in einer Wäscherei kommt es zu einem versöhnlichen, stummen Ausklang.

Dieser etwas andere Weihnachtsfilm stellt anfangs die Frage, was diese Menschen an Weihnachten machen sollen, da sie doch kein Zuhause haben. Ist insofern eine richtig schön christliche Weihnachtsgeschichte, die von Außenseitern handelt, für die die Christen von der Theorie her doch so viel Verständnis aufbringen.

Die grelle gezeichnete L.A. Kulisse, Sunset-Boulevard, die Sterne im Boden, dieses immer hektisch Aufgedrehte der Transenwelt, Begriffe wie Schlampe fallen häufig und Drogen werden konsumiert. Chester lebt als Zuhälter und wird als eine eindimensionale, eng fokussierte Figur dargestellt. Straßenimpressionismus. Sich direkt diesen Gefühlen widmen. Der Musikscore scheint sich ohne allzu engen Bezug zum Thema aus einer bunten Mischung von Favorites des Regisseurs zusammenzusetzen und auf ein eigenes Stiling zu verzichten. Begeisterter Einsatz aller Beteiligten.

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