High Rise

Dieser Film von Ben Wheatley („Sightseers“) wirkt wie ein gigantisches, grell-schrilles Mural, gebeamt auf die dröge Betonfassade der zentralen Figur im Film, einem 40-stöckigen Wohnhochhaus, was sich mit einem überragenden Zacken auf einer Seite fast wie im Himmel festhaken möchte, wirkt wie der Protest der Jugend von damals gegen den Glauben an den Beton.

In Reih und Glied stehen die schönen, besseren Autos aus jener Zeit auf riesigen Parkplätzen um das Gebäude. Was in den 70ern als Protest angefangen hat, meines Wissens mit dem Sprayer Nägele aus Zürich als kriminalisierter Underground-Kunst, ist heute längst etablierte Popkultur.

Der Film von Wheatley versucht, sich genau an die Frische des Protestes aus jener Zeit zu erinnern, dekonstruiert mit einem irrsinns Schnitt- und Szenentempo genüsslich die Perfektion und die Ordentlichkeit, die die Architektur zum eingeordneten, angepassten, entindividualiserten Wesen macht, immer eiligen Schrittes im Anzug durch die kühlen Hallen hetzen und hecheln, superdeodoriert, nur zuhause im 25. Stock in der neuen Wohnung der menschlichen Hauptfigur in diesem Gebäudefilm, Tom Hiddleston als Dr. Laing, ist alles noch in Kartons verpackt und allein lebt er auch, will er auch, möchte seine Ruhe haben.

In seinen Vorlesungen reißt er toten Menschen die Fassade herunter, die Gesichtshaut, um den Kopf zu öffnen, die Schädeldecke aufzusägen, aufzuhämmern.

Statt Ruhe zu finden im 25. Stock, die Nachbarn bedrängen Laing mit Einladungen, Parties noch und nöcher und immer extremer und orgiastischer werden diese und auch einen antiautoritären Kindergarten gibt es.

Der Architekt des Gebäudes, der Hauptschuldige, Jeremy Irons als Royal, haust opulent im Penthouse. Es gibt deutliche Klassenunterschied zwischen Oben und Unten. In der Mitte gibt es den Supermarkt, der Regalreihen hat mit „günstig“ und andere mit „besonders günstig“. Es gibt die Müllschlucker, die der Film weidlich exploitet.

Die menschliche Dekadenz nimmt von Filmminute zu Filmminute zu, die Parties verlieren jede Facon, der Umgang der Menschen untereinander ist rüde und die Musik nimmt ab und an Wagnersche Dimensionen an, während in Zwischenschnitten vor oszillierendem Himmel das Hochhaus plötzlich wie ein Spukschloss wirkt.

Es gibt Schlägereien, Suizid, Kopulationen, es gibt, auf Nachfrage der Polizei, was denn hier los ist, nichts, was nicht unter den Teppich gekehrt werden könnte – denn das Wohl des Gebäudes geht über alles, obwohl auch dieses arg in Mitleidenschaft gezogen wird, so dass es zu einer kurzen Verschnaufphase des Aufräumens kommt.

Einmal zeigt Laing Charakter, er weigert sich am Ende, am Dokumentarfilmer Wilder, Luke Evens, die Lobotomie durchzuführen.

Wheatley brilliert hier mit kontraintentioneller Betrachtung des Glaubens der 70er-Jahre-Architektur an den Beton; er zeigt die Kehrseite der Beton- und Höhenhybris, den Urprotest des Menschen gegen die Fesseln von Architektur und Kapital.

Ganz am Ende sitzt ein Nachwuchs hoch auf einem originell zusammengebastelten Hochsitz mit einem Funkgerät ins All, empfängt einen Speech von Maggie Thatcher, die den Kapitalismus über den grünen Klee lobt. Das kann man so nicht stehen lassen, werden sich die Filmemacher energisch gesagt haben.

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