The Lobster – Eine unkonventionelle Liebesgschichte

Augapfelliebe, die blind macht.

Oder die freiwillige Selbstentmündigung des Menschen auf der Suche nach der Liebe.

David, Collin Firth, ist nach elf Jahren von seiner Frau verlassen worden. Gegen das Alleinsein wendet er sich an ein Institut, das offenbar Partner vermittelt. Wir erleben ihn bei der Aufnahmeprozedur mit den genauen Fragen, hetero- oder homo, ein Zwischending gibt es nicht.

Dieses Institut ist auch, so wie die Darsteller spielen, von erschreckender Normalität. Obwohl eine hauchdünne Differenz zu ihr besteht. Es ist ein Haus voller Vorschriften, Normen, Regeln, Überwachung und Bestrafungskatalogen.

Die Liebessuchenden werden wie Patienten, wie Zöglinge, wie Unmündige behandelt. Alles ist vorgeschrieben. In Anwesenheit aller werden die Menschen vorgestellt, ihre Schwächen, einer lispelt, die andere hat dauernd Nasenbluten, eine ist scharf auf Butterkekse.

Gleich und gleich gesellt sich gern, scheint ein Motto bei der Partnerwahl zu sein. So erschleicht sich ein Patient ein Liebesverhältnis zur Nasenbluterin, indem er ständig den Kopf gegen harte Gegenstände schlägt, bis er blutet. Kurzsichtige ziehen sich an.

Nachts wird zur Jagd geblasen. In einem Wald. Romantischer geht’s nicht. Der Wald wird in vielen Szenen im hinteren Teil des Filmes zu sehen sein. Moosbewachsen, Farne, Gebüsch, dichtes, gut gemischtes Grün wie für die romantische Malerei geschaffen. Hier leben die Einzelgänger als Waldmenschen. Sie dürfen nachts von den Insassen des Instituts, der Klinik oder was auch immer, geschossen werden. Mit Betäubungspfeilen (die Opfer werden später in ein Tier ihrer Wahl verwandelt und in den Wald entlassen, weshalb dort Pfaue und Flamingos stolzieren oder Kamele durch den dichten Farn und das Unterholz pflügen).

Auch das muss der Neuankömmlng bekannt geben, in was er allenfalls verwandelt werden möchte. Unser Protagonist möchte ein Hummer, also ein Lobster werden, wie der Titel des Filmes. Nicht ganz so weit wird der Film ihn auch begleiten.

Es gibt gediegene Tanzabende in einem Saal wie er traumhafter für den Ball der einsamen Herzen nicht ausgestattet sein könnte. Die Kapelle auf dem Podium spielt Standards und das Direktorenehepaar, er wie Herr Hitchcock persönlich, geben unter dem Bogen aus gelben Ballons Duette zum besten. Alles vertraut, altvertraut. Und das Personal hat die Herrschaft über die Patienten. Eigentlich gar nicht ungewöhnlich.

Die Schwester macht bei der Morgenvisite dem David mit dem Po eine Penismassage. Im Wald sind private Unterhaltung und Flirts strikt untersagt. Was allfällige Partner selbstverständlich raffinierte geheime Zeichensprachen entwickeln lässt.

Dieses Prinzip der Selbstentmündigung, dass ein Mensch sein Schicksal in die Hände einer Organisation legt, wird konsequent durchgezogen, auch in der Inszenierung der Figuren, die immer ganz ernst ihre Sätze geradeaus sagen, egal, ob es um hygienische Details geht, wie man Blut aus dem Hemd wäscht oder um plumpe Anmache wie diejenige der Butterkeksfrau an David. Die Konversation läuft beinah schon roboterhaft ab.

Yorgos Lanthimos, der mit Efthymis Filippou auch das Buch geschrieben hat, zieht diese Negativformulierung menschlicher Freiheit und damit der Freiheit zur Liebe so konsequent durch, dass sie nach einiger Zeit droht schier sich tot zu laufen – wie Alltagsroutine auch. Wenn nicht der Lichtblick der Befreiung wäre, der aber gravierende Hindernisse im Wege stehen.

Wie im richtigen Leben, was wäre ein rigides Regel- und Überwachuntssystem, wenn es nicht durchbrochen würde, gibt es durchaus den Fall der Infiltration der Gegenseite. Beides scheint urmenschlich: die Abschottung und Nichtoffenheit und das Bedürfnis der Gegenseite, diese zu knacken.

Beim Eintritt in das Institut, das von einem riesigen Freigelände und einem Wald umgeben ist, müssen die Kunden, die Freiwilligen, alle ihre privaten Habseligkeiten abgeben und gegen Anstaltskleidung, die Zivilkleidung ist, umtauschen, Prozedur wie beim Eintritt in ein Gefängnis. So tragen denn bei der Tanzveranstaltung die Frauen alle die gleichen Blümchenkleider.

Merkwürdige Sketche werden im Ballsall dargeboten vom Personal. Mann allein beim Frühstück oder Mann und Frau beim Frühstück. Abgeben der eigenen Verantwortung. Harte Strafen bei Verfehlungen. Wer beim Onanieren erwischt wird, dem werden die Finger in einen Toaster gesteckt, in Anwesenheit der übrigen Frühstücksgesellschaft. Der Mensch, der offenbar Sehnsucht hat nach der totalen Manipulation? Böse Strafe im Wald: der rote Kuss. So weit entfernt von Scharia-Strafen sind die Waldstrafen nicht. Ein schräger Blick auf den Hang des Menschen, auf seine Mündigkeit zu verzichten.

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