Ralé (Filmfest München 2016)

Munter drauf los im Kino. Aufbruchsstimmung verbreiten. Das Kino soll zur Transformation des Landes beitragen, gegen Ausgrenzung sein, für die Liebe, zum Erhalt des Dschungels beitragen. Eine Variation zu Gorkis Nachtasyl.

Wir sind jung. Wir haben die Alten studiert. Brecht: mit Fakten die Menschen zum Denken bringen. Das Leben leben nach Rimbaud, wir müssen das Leben neu erfinden. Bukowski wird auf einem Plakat in einer Bar zitiert. Dede, der Liberace von Brasilien. Nur die Musik kann noch mehr verändern, sie ist international, universal.

Im Laufe des collagen- und magazinhaften Durchdeklinierens der Möglichkeiten des Kinos und dessen Aufgabe kommt dieser Film von Helene Ignez zur Erkenntnis, dass man doch nicht die 60er und 70er Jahre nachspielen könne und reduziert sich zusehnds und lustvoll auf das Zelebrieren schwulen Lebens, feiert die Hochzeit von Baron und Marcelo, da seit 2011 in Brasilien die Schwulenehe erlaubt ist und verlustiert sich, immer auch musikalisch und mit Songs in einem kunterbunten Gaylife, alt und jung.

Es gibt jede Menge kultureller Referenzen. Die Schauspielerin, die im Film „Der Exhibitionist“ mitwirkt, dessen Drehbarbeiten hier vorkommen, stammt aus Theaterkreisen. Ihr Vater inzenierte Gorki. Es gibt Impressionen aus dem Liebesleben von Nastya in ihrem roten Liebeszimmer mit ihrem Schauspielerkollegen. Der Regisseur des Filmes heißt Napoleon. Es gibt Hinterdenkulissentratsch, Statements zur Rolle; aber nicht als fleissige Story, sondern als bunt zusammengewürfelter Bilderbogen, wie frisch von der Leber weg und nicht bis zur Grübelgrenze.

Hier heißt es Copacabana Mon Amour, die lustvolle Differenz zu Alain Resnais.

Die intellektuelle, künstlerische, stürmische Jugend spiegelt in ihrem Tohuwabohu, was sie an Kulturgut aufgesaugt hat, was sie an Expressionslust in sich spürt, die Liebessehnsucht, Drogen-Gebräu, Schutz des Dschungels, die Brasilianitá und Dekolonialisierung, dass Kino regional und universal zu sein habe, aber auch der Traum vom Soldaten, der notfalls töten muss, der Guru Baron, alles, was die sensitive, künstlerisch aufgeweckte Jugend beschäftigt. Sie denkt nach über ein Margine-Cinema, über die Verwandlung Brasiliens, über Außenseiter und Transen, über Concezptkunst, Shamanismus und Schwulität, Friedensbewegung, Hippietum und Musik. Dazwischen immer wieder Bruchstücke aus dem Dreh zum Film oder dieser auch für diese Themen benutzt. Kurz: es geht um das Recht, glücklich zu sein. Heiter sind wir schon.

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