Mr. Six (Filmfest München 2016)

Der Film handelt faktisch, wenn auch nicht explizit, vom männlichen Kampf-Gen (auf welchem der Ehrbegriff gedeiht) und dessen zunehmender Anfälligkeit gegen das Altern, Krankheit, bürgerliche Moral, Gesetz und Ordnung, Polizei.

Die Ballade vom großen, einsamen Helden, vom einsamen Wolf, vom Moralisten, der populär den immer unerschrockenen Moralisten gibt, sich selbst nicht unbedingt so verhält, die Ballade vom Konflikt der Generationen, des Altwerdens, des Konfliktes zwischen gewöhnlichem Volk und den Superreichen.

Die Ballade von der allseits beliebten Persönlichkeit in einem einfachen, alteingesessenen Quartier in Peking, den alle Mr. Six nennen und der meist mit seinem sprechenden Raben im goldenen Käfig anzutreffen ist, von dem keiner recht weiß, wovon er lebt, der nicht zurückhält mit seiner Meinung, wenn jemand etwas Unrechtes tut, man schlägt keine Frau, der selbst aber bei der Friseuse mit den Blicken und gleich auch mit den Händen von ihren signalhaften Rundungen nicht loskommt ohne jedes Unrechtbewusstsein.

Die Ballade vom alten Mann, dessen ungezogener Sohn in Schwierigkeiten gerät, weil er einem superreichen Söhnchen aus jener Gesellschaftsschicht, die ihr Geld schnell nach Amerika transferiert und auch auswandert, sein sündteures Auto zerkratzt. Die Gang hat diesen Sohn von Mr. Six gekidnappt.

Das weckt die Vaterinstinkte in Mr. Six. Er macht sich auf, den Sohn rauszuholen, den Schaden zu begleichen, ein Unterfangen, was sich zusehends kompliziert und sich auf einen epischen Count-Down auf brüchigem Eis ausrichtet, ist Mr. Six doch von einem männlichen Ehrenkodex erfüllt.

Ein Film von Hu Guan mit Wackelkameratechnik erzählt, also viel Leben auf die Leinwand packend, dazu die Untertitel auf Kantonesisch und englisch, die in einem irren Tempo vorbeiziehen und nicht immer rezipierbar sind, wodurch Verständnisprobleme entstehen könnten.

Aber: das Bild dieser Männerfigur, die gleichzeitig autoritär, moralistisch aber auch undurchsichtig handelt (ein Thema ist, warum man das Problem nicht mit der Polizei löse), kommt klar heraus, eine Sorte Kinoheld wie sie die Kinogeschichte durchziehen, ein Mann auch, der sich mit dem Altern schwer tut, der das Aufrührerische der eigenen Jugend, die durchaus ihre blinden oder dunklen Flecken hat, vergessen und gut versteckt hat: sein einstiges Kampfinstrument, ein gewaltiges Schwert beispielsweise. Den Begriff Opa weist Mr. Six konsequent von sich. Das Brechen von Fingerknochen beherrscht er nach wie vor.

Auch Halbstarkenballade, Männerkampfregeln, die Peking-Regel, wie Probleme geregelt werden, Gangs aufeinander los, selbstverständlich ohne Polizei – und noch, das hat wirklich gefehlt, auch noch ein Tumorfilm dazu; logo, dass einer wie Mr. Six nicht zu lange im Spital bleibt.

Dagegen gesetzt der ganz spießige Traum von der kleinen Bar „Hall of Brothers“ – wir wollen alle Brüder sein. Außerdem ein Film von den Alten, die es nochmal wissen wollen.

Eine Frau hat in so einem Film, der um das dubiose Männer-Gen kreist, allenfalls als Tante Quasselstrippe etwas zu suchen.

Und, schmunzelnd, grinsend: ein entlaufener Strauß verirrt sich im dichten Straßenverkehr. Das Männerbild, was Mr. Six lebt, das wie ein Strauß im modernen Straßenverkehr deplaziert wirkt.

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