La Vanité (Filmfest München 2016)

Aus Elementen der Route 66 in der Schweiz in der Nähe von Lausanne ein Motel zu entwerfen und zu bauen, darf als eine fortschrittliche, architektonische Leistung in der Zeit des aufkommenden Tourismus und der Freizeitindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg gesehen werden.

Dieser Architekt ist David Miller, Patrick Lapp. Heute sieht er für sein Leben keine Zukunft mehr, erst recht nicht, nachdem seine Frau tot ist und er zu seinem Sohn noch nie einen Kontakt hatte und der Krebs an ihm zehrt.

Er will in diesem Wunderwerk seines Berufes seinem Leben mit Helfern ein Ende setzen. Die Organisation Election hat Esperanza, Carmen Maura, vorbeigeschickt mit den nötigen Medikamenten. Seinen Sohn hat er als vorgeschriebenen zweiten Zeugen bestellt.

Eine dunkel, farblos, freudlose Stadt, einzig die Neoninschrift Motel leuchtet rot. Später wird ihr gegenüber noch im selben Rot eine Neonröhre den Schriftzug Hollywood ins Dunkle hineinbrennen.

Damit ist der Raum, in dem dieser Film von Lionel Baier, der mit Julien Bouissaux auch das Drehbuch geschrieben hat, eingegrenzt. In diesem Bereich und dem Parkplatz dazwischen, mit Rückblenden in die blühenden Zeiten, jetzt steht das Motel kurz vor der Schließung, findet das Dram um das Titelthema „Eitelkeit“, die vanitas statt.

Das Thema wird ein weiteres Mal reflektiert anhand einer billigen Reproduktion des berühmten Bildes von Hans Holbein dem Jüngeren „Die Gesandten“, das an der Wand des zum Sterben ausersehenen Motelzimmers Nummer 8 hängt.

Allein wie die dritte Persona dramatis, Treplev, Ian Georgiev, dem Sterbewilligen die Geschichte mit dem Messer am Fußende des Bildes, das aus der entsprechenden Position als Totenschädel gesehen werden kann, zu erklären versucht, ist von existenzialer Komik, da Miller doch den Todestrunk nehmen will. Das Mittel gegen das Erbrechen desselben, Molitium, hat er bereits intus.

Überhaupt dieser Treplev. Er ist ein verheirateter Prostituierter aus dem Osten. Der gerade in Lausanne stattfindende Ökologen-Kongress scheint für ihn nicht recht einträglich zu sein. Er ist die dritte Person, die sich in dem kurzen und kurzweiligen Film in dem Motelzimmer, auf dem Parkplatz zwischen Hotel und der Hollywoodbar in wechselnden Kombinationen philosophie- und absurdismusangehauchte Gespräche angesichts des erwünschten Todes liefern; ob man sich bewegt habe, im Leben, beispielsweise.

Allein die Frage, die Treplev an Miller stellt, ob er es schon mal mit einem Mann versucht habe, die lässt aufhorchen. Wie ist es, ohne diese Erfahrung zu sterben? Der Versuch, der folgen wird, ist von großartiger Ungeschicktheit und selbstverständlich zum Scheitern verurteilt, beantwortet aber die Frage nicht.

Treplev wird an die beiden Protagonisten deshalb angebunden, weil er, da der Sohn von Miller nicht will, den zweiten Zeugen geben soll, wodurch ein spannender Mix an Gesprächspartnern garantiert ist.

Dieses filmische Kleinod aus der Schweiz brilliert zudem mit hervorragenden Akteuren, einer einsichtigen Kamera und trefflicher Ausstattung.
Ist das mit zwei Männern nicht traurig? Vielleicht so, wie in einem Motel sterben?
Weitere wichtige Requisiten: ein Elektroauto, eine elektrische Zigarette, der Windsorknoten für die Krawatte zum Sterben.

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