Café Belgica

Felix van Groeningen, der mit Arne Sierens das Drehbuch geschrieben hat, ist mit eigenwilligen Filmen aufgefallen: The Broken Circle oder „Die Beschissenheit der Dinge“ waren bei uns zu sehen.

Um zwei Brüder geht es. Jo, Stef Aerts, und Frank, Tom Vermeir, die einem Arschloch von Vater nicht nachtrauern, immerhin, zum Besuch der Abdankung langt es gerade noch.

Makel haben sie beide auch. Der hübsche Jo ist im Gesicht mit einem verklebten Auge seit kurz nach der Geburt entstellt – so ein Makel an einem hübschen, frischen Menschen übt einen ganz speziellen Reiz aus. Frank, der ältere, betreibt mit seiner Frau eine Hundepension, dürfte einiges vom miesen Charakter vom Vater geerbt haben, er säuft und zieht Kokslinien und seiner Frau, mit der er ein Kind hat, ist er nicht treu; die Disco von Bruder Jo macht es ihm leicht.

Van Groeningen stürzt sich mit seiner Kamera wie in das wilde, unbesorgte Leben dieser jungen Leute, Jubel, Trubel, Musik und Bumsen und am Morgen nicht wissen, ob man nun gebumst hat oder nicht.

Marieke, Helène de Vos, hängt sich an Jo. Er macht ihr ein Kind. Er will es nicht. Sie muss es wegmachen. Das ist eine kleine Nebenstorylinie.

Eine andere ist die von Frank, der seiner Frau ein zweites Kind macht. Er will in den Betrieb von Jo einsteigen, um nicht in seiner Hundepension zu veröden, wie er sagt, denn er ist ein Feiermensch, liebt das Rauschhafte, die Frauen und den Exzess.

Den Betrieb in der Disco, die Stimmung, die bewegten Massen, die Raufereien, die heftig agierenden Bands, die filmt van Groeningen wie echt, das überträgt sich wie echt.

Aber eine Story braucht Scharniere, die sie weitertreibt und wenn einer wie er ein dringendes Need zum Erzählen hat, so braucht es zwischendrin Szenen, in denen über den Ausbau der Disco diskutiert wird – dies wird in launigem Realismus geschildert, der die Gaudi an der Arbeit mehr wie eine Aktion mit Kumpels sieht. Es braucht Gespräche mit einem Security-Betreiber, der sich mit seinen Türstehern anbietet. Der Betrieb muss vom Gewerbeamt abgenommen und genehmigt werden. Solche Szene sind deutlich als erzähltechnisch bedingte Spielszenen erkenntlich.

Die Entwicklung vom kleinen Discobetreiber zum richtigen Unternehmer spiegelt sich in Kleidung und Gebaren von Frank deutlich, immer mehr Personal hat er, der Geist des Geldverdienens erwächst aus der anfänglichen Laune heraus, die Konzertauftritte werden weniger, die Getränke teurer. Ein Manager muss sich von Personal trennen können, auch wenn es ihm persönlich verbunden ist.

Die Brüder verstehen sich eines Tages nicht mehr. Eine Trennung steht im Raum. Die Schulden von Frank erschweren das, machen es fast unmöglich. Unmerklich vollzieht sich durch die Auseinandersetzung mit dem Bruder ein Wandel mit Frank, so dass der Film gerade noch, bevor er zu lang wird, die Kurve zu einem angenehmen Ende findet.

Den Zuschauer entlässt er mit dem Gefühl, etwas gesehen zu haben, was er jetzt nicht unbedingt hätte sehen, müssen, es war aber eine interessante Geschichte, Einblick in dieses Kleingewerbe zu bekommen, Einblick in das Leben von zwei unpolitischen Menschen, die sich auf speziellem Terrain und mit speziellem Charakter durchwursteln, ohne auf den Genuss und das Vergnügen und den Exzess verzichten zu wollen.

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