Ein Fukushima-Film der etwas anderen Art von Sion Sono mit einem Plot-Konstrukt, das ihn vor jeglichem Fingerzeig oder Moralin bewahrt, das das krampfige Zusammengestöpsele einer Frau Dörrie mit Grüße aus Fukushima, das noch marktschreierisch den Katastrophenort im Titel führt, in seine mickrigen Grenzen weist.
Es geht eben nicht um Fukushima. Die Story ist eine ganz andere. Trotzdem erfährt man über Fukushima mehr und Drastischeres als im ganzen Dörrie-Brimborium.
Die Schauspielerin Megumi Kagurazaka ist als Yoko Suzuki in einem einzigartigen Gartenhäuschen von Raumschiff und Jahrtausende von unserer Zeit entfernt als Gepäckbotin unterwegs.
Die Kartons sind hinter einem Netz im hinteren Teil ihres Raumschiffes gestapelt. Sie ist Android ID 722, ein Roboter mit künstlicher Intelligenz; immer wieder muss sie ihre Batterien neu aufladen.
Sie hat lange Fahrten, teils jahrelange Fahrten von einem Empfänger zum nächsten. So eine Auslieferung kann sich um ein paar Jahre verzögern.
Der Film macht in unerschiedlichen Frequenzen Zeitangaben, immer wieder ist ein neuer Wochentag, mal sind auch ganz genaue Uhrzeiten angegeben, immer in Weiß auf Schwarzbild.
Dazwischen tropft der Wasserhahn oder Yoko muss niesen. Unter einer Deckenlampe zappeln Insekten, die sie bei einer Landung aufgefangen hat. Vor ihr das endlose Weltall. Der Mensch im In-der-Zeit-Sein, in seinem Sein, im Im-Raum-Sein, vielleicht im Bei-Sich-Sein, wenn sich gar nichts tut, eine Ruhe, wie sich frühere Romanautoren von einem Schrankenwärterdasein versprochen haben.
Einsam im All unterwegs. Es gibt eine Bodenschrubbaktion, Tee wird getrunken. Das Raumschiff ist altmodisch ausgestattet. Es selbst ist ein Roboter, seine Maschine gibt lustige Geräusche von sich, auch mal kommentierend zu Yoko.
Die Übergabe der Pakete ist ein genauer, konkreter Vorgang. Die Empfänger müssen auf einem Doppel der Adresse unterschreiben, das nimmt die Gepäckbotin an sich. Die Pakete sind nicht verschnürt, die Deckel öffnen sich leicht. Drin sind Alltagsgegenstände wie ein Hut.
Für den Film hat Sino als Empfängerdestinationen Sets aus und um Fukushima gewählt. Die Empfänger sind realiter Menschen, die durch die Atomkatstrophe vertrieben worden sind.
Es herrscht eine großartige Ruhe in dem Film. Es kommen auch richtige Menschen vor, die sind lärmempfindlich, höchsten 30 Dezibel ertragen sie in dem eh schon leisen Film, in dem aus einem anderen Saal womöglich die Bässe von „Batman vs Superman“ rüberdonnern, was diese gegen die unendlichen Leere der Zeit bemerkenswert verfremdet und in gartenzaunenge Schranken weist.
Die richtigen Menschen sind allerdings nur Schattengeschöpfe. Hier hat Sono ein zauberhaftes, reiches Schattenspektakel von Spiel und Freude und Respekt und Zuneigung durch ellenlange von hinter den Wänden erleuchteten Fluren inszeniert. Hier gibt es Musik der Romantik, des Höfischen, des Verspielten, des Klassischen; sonst gibt es an Musik nur noch das Ave-Maria bei Frau Ingrid Coach auf dem Stern P. Zero. Und nur für eine Paketübergabe wird ein Wandelement, das wirkt wie die Schiebtüren japanischer Behausungen, kurz geöffnet. Schattenmenschen, Höhlenmenschen.
Nur die Roboter existieren wirklich in der Weltallrealität. Eine Welt von Philosophie, Poesie und Dadismus, die gespenstisch dadurch wirkt, dass die Menschen und die Robotermenschen, wenn sie sich bewegen, keinen Ton von sich geben, wenn nicht gerade eine leere Getränke-Aludose sich hartnäckig an einem Schuh festklemmt; welches Geräusch dann über lange Strecken den Takt vorgibt. Das hindert den Menschen nicht in seinem So-Sein und Da-Sein und Materie-Sein, Sache-Sein, in seinem Zur-Sache-Sein, in seinem In-der-Zeit sein, verfangen in der Dinglichkeit. Die Währung in dieser Welt heißt Kikki.