Chevalier

Eine weibliche Auslegeordnung messbarer, vergleichbarer, taxierbarer männlicher Eigenschaften und Größen, Indizes und Parameter oder die Vermessung des griechischen Mannes ganz anders als von der Antike gedacht.

Dieser Film von Athina Rachel Tsangari, die mit Afthymis Filippou auch das Drehbuch geschrieben hat, muss wohl als grimmige Farce, als galliger Kommentar gelesen werden zum Thema Männer im Allgemeinen und griechischer Mann im Besonderen und speziell im Griechenland der Krise.

Was hat der griechische Mann angesichts der Krisen in seinem Land, die noch durch das Flüchtlingsproblem verschärft werden, zu tun? Er mietet sich mit Freunden eine Yacht, schippert durch die Ägäis oder dem Festland entlang, übt sich in Tauchgängen. Er taucht ab.

Da der Tag 24 Stunden hat und man nicht die ganze Zeit unter Wasser sein kann, entwickeln diese Männer ein Spiel, einen Wettbwerb auf der Suche nach dem Besten von ihnen; der wird am Schluss den Ring des Chevalier tragen dürfen. Der ironische Abgesang über dem Abspann wird sich über das kleine Ringlein, das du haben willst, mockieren.

Es geht um männliche Selbstbestandsaufnahme immer im Vergleich mit den anderen, wer hat die größte Erektion, wer hat den Längeren, wer hat schneller ein Regal aufgebaut, wer am schnellsten die Arbeit am Hausputz beendet, wer den größten Fisch gefangen, wer den besten Cholesterinwert, wer den besten Blutzuckerwert, wer den kleinsten Bauchansatz, wer hat das beste Verhältnis zu seiner Frau oder Mutter, das wird über Anrufe gestestet; wie oft putzt einer die Zähne. Urgockel-, Urbalzverhalten.

Wie definiert sich überhaupt ein Mann? Die Fragen werden hier aber nur äußerlich gestellt, nicht im Hinblick auf Handlungen, auf Weltbewältigung, auf Macht. Und dass es nur um diese Äußerlichkeiten geht, das bestärkt mich im Verdacht der Farce-Intention der Regisseurin.

Die Flüchtlinge spielen keine Rolle; die kommen lediglich assoziativ im ersten Bild an einer wüstenhaften Felsenküste vor. Nach und nach schälen sich Männer in Tauchanzügen aus dem Meer, quälen sich an den Strand, hauen gefangene Tintenfische auf den Felsen tot. Es sind keine auferstandenen Flüchtlinge, es sind griechische Taucher.

Die Yacht ist luxuriös und mit Personal ausgestattet. Am Schluss liegt sie in einem Hafen an einer Mole, drum herum viele andere Yachten, vor denen Griechenland nur so zu strotzen scheint; ein Übersprungsgedanke evaluiert sofort, ob da eine längere dabei sei.

Es gibt einen Karaoke-Auftritt zum Thema Liliput-City, eine Blutsbrüderschaftszeremonie, die an den Aufstand von 1821 erinnern soll, eine Kamera, die sich für nicht viel mehr als die kleinen Unterschiede interessiert und es wird fast pausenlos geredet, was mit Untertiteln viel Rezeptionsenergie bindet.

Wer hat welche Klingeltöne, wer raucht doch, wie rund müssen Auberginen sein – der Hinweis auf die europäische Verordnung wird elegant ausgelassen. Eine Vermessung des Mannes auf griechischer See im Beisein eines älteren Herrn, genannt der Doktor. Und über einen amüsieren sie sich wegen seines Eheversagens.

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