The Lady in the Van

Gallig britische Verfilmung eines literarischen Autorenselbstportraits. Der Autor und sein Double. Seine Mutter und deren Double. Vor dem Spannungsverhältnis zwischen Kaputtheit, Verwahrlosung, Pennertum und bürgerlich wohlsortierter Organisiertheit, Korrektheit, Ordentlichkeit und Säuberlichkeit. Der Misthaufen und seine Blüten.

Der Autor Alan Bennet, der auch Schauspieler ist und Bühnenstücke schreibt, hat das Drehbuch nach seinem eigenen Buch geschrieben und behauptet, es sei nach einer wahren Begebenheit.

Der Plotvorwand für dieses schräge Selbstportrait eines Autors ist der, dass eine Pennerin, Maggie Smith darf als Miss Shepherd immer an der Grenze zum Altersklamauk, zur Knallcharge agieren und lässt dabei nichts aus, eines Tages ihren Kastenwagen in seiner Einfahrt kurzfristig geparkt hatte. Daraus sind 15 Jahre geworden.

Wobei es dem Film nicht um die Schilderung irgend einer Entwicklung in diesem Zeitraum geht. Es geht ums Arrangement. Um die Gegenüberstellung unterschiedlicher Welten, die hier in einer eigenartigen, fruchtbaren Symbiose und gleichzeitig in teils herzlicher Abneigung einander verbunden sind.

Das Sträßchen in Camden-Town, in dem der Autor, der auch im Film Alan Bennet heißt, und spröd trocken von Alex Jannings gespielt wird, ist eines mit gepflegten Häuschen und einer bürgerlich-gepflegten Einwohnerschaft, die neugierig die Vorgänge in den Vorgärtchen beobachten, wie es zu solchen Siedlungen aufmerksamer Nachbarn passt. Und die für Ordentlichkeit bekannt sind.

Da passt ein Pennervehikel wie das von Miss Shepherd nicht unbedingt rein.

In der Straße wohnen kulturbeflissene Kleinbürger, denen vor einer Obdachlosen ekelt. Sie darf immerhin bei Bennett zur Toilette, wobei er das mit seiner Faulheit begründet. An Weihnachten brauchen solche Bürger eine Pennerin als Objekt ihrer Wohltat dringend. Ihre Vergangenheit liegt vorerst im Dunkeln; aber der Film wird dies und das lüften von dieser kratzbürstigen Figur.

Der Autor selbst ist eine gespaltene Persönlichkeit. Das kann im Film wunderbar von ein und demselben Darsteller verkörpert werden, derjenige, der schreibt, der an einer alten mechanischen Schreibmaschine hockt, der Film fängt in den frühen Siebzigern an, und schreibt und schaut und staunt und sich wundert und sein Alter Ego ist derjenige, der lebt, der einkauft, der sich mit Maria Shepherd, als welche sie sich ausgibt, unterhält, sie gewähren lässt. Er ist derjenige, der ab und an junge Männer zu Besuch hat. Miss Shepherd ist überzeugt, dass es sich um Kommunisten handelt.

Ständig fragt man sich, wie lässt sich aus so einer Situation mit einem verrotteten Van, der noch dazu zugemüllt ist mit Plastiktüten und eine totale Verwahrlosung im Inneren vorweist, in welchem die runtergekommene Frau haust, wie lässt sich daraus ein Stück schreiben? Dabei handelt sein Stück, das im Film vorkommt und von welchem eine Szene mit ihm als Darsteller im Theater zu sehen ist, monologisch nur von ihm selbst, vielleicht auch von seiner Mutter. Die wiederum das Abziehbildchen einer kleinbürgerlichen Britin abgibt.

Miss Shepherd ist neidisch, und möchte, dass er sie zu seinem Stoff macht, macht ihm gleichzeitig Vorwürfe: using your mother, you should be ashamed. Und derweil entsteht es schon, das Stück, das Drehbuch, der Film.

Ähnlich wie den Nachbarn im Film kann es dem Zuschauer ergehen, die nach dem Stück nicht mehr recht wissen, wovon es handelt. Was war denn jetzt?

Dass das alles auch selbstironisch gemeint ist, der Autor ist als Autor wie als sein Double immer wie ein Muttersöhnchen perfekt gekleidet, mit Hemd, Pullunder oder mit Strickjacke, zeigt sich am Schluss, der wie eine Marzipanfigur lustig auf das Stück Kuchen draufgepeppt wird. Da tritt Alan Bennet mit Fahrrad und rotem Schal persönlich auf. Eine nicht ironiefreie, kulturphilosophische Reflexion: in welchem Milieu lebt der Autor, wie lebt er, wie armselig und wie er das Kaputte offenbar anzieht, wie es ihn fasziniert und ohne das er nicht sein kann.

Nicholas Hytner inszeniert das als bürgerliche Komödie, theateraffin, recht theatralisch der Satz von Miss Shepherd „don’t sweetheart me, I am a sick woman, dying possibly“. Das sind literarische Texte, die gerne auch als solche prononciert werden, mit diesem leicht britisch-überheblichen Dehnen mancher Vokale und entsprechend fallbeilhaftem Abbruch durch Konsonanten – wenn sie nicht mal was wegnuscheln.

Hebt sich deutlich ab von jeglicher Reality-TV-Intention und erhält so eine leichten Drall ins Künstliche, was zur Heiterkeit beiträgt.

Eine Szene mit Hundedreck dient als zusätzliches Symbol für die Reflektion über Kunst und Reinheit und Dreck, wie die erstere ohne letztere nicht sein kann. Den Humandreck bei der Angelegenheit, den spielt Maggie Smith mit Wonne und unglaublicher Verve. Dagegen steht die vornehme Zurückhaltung und Schüchternheit des Autors. Oder, wie aus einer Banalität, einem Häufchen Kleinigkeit ein Stück, ein Film wird.

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