Hardcore Henry

Kino als Illusion eines Hardcore-Erlebnisses.
Hier sitzt der Zuschauer 90 atemlose, hektische und aufregende Minuten lang beengt, auf kleinstem Raum – theoretisch mindestens – nämlich im Hirn oder in den Apps oder den Apparaturen, fragen Sie mich was Wichtigeres – von Henry.

Henrys Bewusstsein ist erst in einer Art Dämmerzustand, halbwach, er sieht Schemen, er nimmt Bewegungen und Stimmen wahr, er sieht doppelt oder mit Kaleidoskop-Perspektive. Er liegt auf einem Op-Tisch. An ihm wird herumhantiert. Ein Fuß muss richtig eingedreht werden. Die Funktionsfähigkeit seiner Hand wird mit einem Apfel getestet, schon da gibt es Anzeichen für enorme Kräfte. Ein Kabel wird abgenommen. Ein blonde, verführerische Assistentin nimmt die Manipulationen vor, kniet plötzlich vor ihm, spricht ihm gut zu, scheint ihn zu mögen.

Dann geht es los. Die Kampfmaschine geht los. Hat Aufträge. Die Geschichte spielt in Moskau. Da gibt es viele böse Russen und auch englisch sprechende Menschen. Henry jagt durch die Stadt. Fällt auf. Wird angegriffen, verfolgt, baut Crashs, schießt wild um sich.

Verfolgungsjagden, Schießereien, Puffszenen und solche in der Natur. Wilde Fassadenklettereien und atemberaubende Flucht über die Eisenträger hoch über einer Brücke. Immer die subjektive Kamera. Egal wie die das gemacht haben, es dürfte viel GoPro dabei sein.

Viele der Gefilde, die Henry durchquert sind vertraute Action-Settings. Beliebt sind Ruinen und Rohbauten. Da lassen sich beliebig Rumballereien und Detonationen und Feuereffekte einarbeiten.

Muss man etwas verstehen? Nicht unbedingt. Irgendwann fängt man an, über die Endlichkeit zu philosophieren. Irgendwann wird es vielleicht Henry, den lange Unbesiegbaren doch erwischen. Dann muss der Film aus sein.

Es gibt anfangs einen Versuch des Professors, Henry seine Stimme wieder zugeben. Manchmal flirren Erinnerungsbilder durch seinen Kopf, manchmal werden seine Bilder auf Sendung gehen, flackern über Kontrollbildschirme.

Es gibt schöne Slow-Motion-Effekte gerade am Anfang, wenn Henry dabei ist, sein manipuliertes Bewusstsein wieder zu erlangen. Aber wer er ist, ob er zu menschlichen Rührungen fähig ist, ob er Verantwortungsbewusstsein entwickeln kann – wir wissen es nicht. Er scheint eine kaum besiegbare Kampfmaschine zu sein, die den Zuschauer mitnimmt, so dass er mitgenommen ist vor lauter Sprüngen in die Tiefe, Fallschirmabsprung oder sich an ein Helikopterseil hängen, dann wieder abspringen, Motorradfahrten auf dem Sozius und ab und an ein paar Gruseleffekt aus dem Gruselkabinett, wie an Menschen herummanipuliert, in sie eingegriffen wird.

Kino als ein absurder Psychotrip, Survivaltrip – aber wissen wir am Ende, wie es im Hirn, gar im Unterbewussten, so ein solches vorhanden ist, eines Roboters aussieht? Der Zuschauer als blinder Passagier in einer Kampfmaschine. Das wirkt stellenweise durchaus auch schrullig, diese wilde Bebilderei, wenn im Bus ein Penner mit ihm eine Verabredung hat oder wenn er reiten muss und die Melodie zum Marlborowerbespot erklingt.

Eine Achterbahnfahrt durch Bits und Brain eines Roboter-Menschen. Wir werden nie wissen, was die Forscher im Labor noch so alles machen. Oder doch mehr Videospiel? Zwischennummer mit Karaoke. Der Soundscore zielt auf das heftige Vergnügen, wofür der Film gedacht ist.

Ausruf. You are half machine, half pussy. Tja, da ist Mords was los.

Und manch ein Zuschauer wünscht sich vielleicht einen Memory-Blocker.
Aber auch der kleine Gag in einem eleganten Setting: dass Henry gebeten wird, sich doch die Schuhe abzustreifen.

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