Where to Invade Next

Michael Moores gwünscheltes Europa zu einem Bündel Reisig gegen Amerika gebunden.

Der Befund ist niederschmetternd und bleibt unwidersprochen: was die USA seit dem Zweiten Weltkrieg und wie viele verlorene Kriege geführt hat und wie viele Trillionen von Dollar die gekostet haben. Inrgendwo müssen die immer einfallen.

Diese Erkenntnis nimmt Michael Moore zur Ausgangslage, um die Kriegs- und Eroberungsphilosophie der Amerikaner in seinem Sinne fortzuführen: er will Europa erobern und von dort Schätze nach Amerika verschiffen; wenn die auch meist ideeller Natur sind.

Er extrapoliert seine Amerikakritik über Europa, wobei er unserem Kontinent durchaus schmeichelt, was er aber im nächsten Zug wieder zurücknimmt, denn er würde sich ja nur die schönsten Blüten herauspicken, um im überübernächsten Moment zu behaupten, das seien sowieso alles amerikanische Ideen. Michael Moore will also mittels eine Europaexpedition Amerika mit seinen ursprünglichen Werten konfrontieren.

Er beginnt in Italien. Hier sind die Begegnungen die unterhaltsamsten, wie die offenbar Leben und Amore, Arbeit und Mangiare friedlich und hochproduktiv unter einen Hut bringen, da schlackern einem die Ohren, will dann zum Teil wieder gar nicht so zum innereuropäischen Bild von Italien als einem ökonomischen Sorgenkind passen.

In Frankreich hauts ihn schier um ob der Alltagskulinarik in einer Schulküche mit auserlesensten Viergängemenüs; und dazu noch kein Schulgeld und sowieso hat der Franzose viel mehr von dem, was er weniger an Steuern zahlt als der US-Bürger. Innereuropäisch gilt Frankreich dabei als eine Mimose von ökonomischem Sorgenkind, das man besser nicht darauf aufmerksam machen sollte, Reformen einzuleiten.

In Finnland preist Moore den offenen Strafvollzug, selbst ein Hochsicherheitsgefängnis ist näher an einem Luxushotel als an einem durchschnittlichen, amerikanischen Knast. Hier berührt er ein essentiell amerikanisches Problem, was in Portugal noch vertieft wird, wo er die Drogenpolitik lobt, dass niemand in den Knast komme wegen Drogenbesitz oder -konsums; während in Amerika die Gefangenen nicht nur ihrer bürgerlichen Rechte beraubt werden, sondern als Billigstlohnarbeiter diversen Industrien zu leichtem Gewinn verhelfen.

Slowenien muss der amerikanischen Politik beim Thema Verschuldung durchs Studium Paroli bieten, was es spielend tut.

Deutschland gibt Musterbeispiele ab für gewerkschaftlich erreichte, großartige Arbeitsbedingungen, die keinen Zweitjob nötig machen; Moore hätte aber auch leicht Gegenbeispiele finden oder sich bei HartzIVlern umsehen können. Vor allem aber dient ihm Deutschland als Musterbeispiel für die Aufarbeitung geschichtlichen Unrechts und er hält Amerika vor, das nicht zu tun, denn auch dessen Geschichte ist gepflastert mit Unrecht, auch dort gäbe es allen Anlass für Stolpersteine.

In Norwegen spricht Moore mit einem Vater, dessen Sohn vom Massenmörder Breivik getötet worden ist und staunt über das Thema Vergebung, Versöhnung, Verzicht auf Rache und die Relation von menschlichem Strafvollzug und niedriger Mordrate.

In Island stößt Moore auf die Folgen eines Bankenskandals, in dem nur die Bank überlebte, die von Frauen geleitet wurde; aber die sündigen Männer wurden verurteilt und in ein Gefängnis gesteckt (in Amerika sei der einzige verurteilte Banker einer mit muslimischen Wurzeln) und da kann sich Moore plötzlich gut amerikanisch über das Institut Gefängnis freuen und sein Triumphgefühl, dass diese bösen Männer weitab der Zivilisation weggesperrt worden seien, nicht verbergen; allerdings dürfte ihm der Widerspruch zur früher im Film gezeigten Begeisterung für den europäischen Strafvollzug erinnerlich geworden sein und so schwenkt er schnell und unversehens zum Thema Frauen und Macht, Frauen und Chefs, um die These an einigen Isländerinnen zu untermauern, dass die Welt in den Händen von Frauen besser dran wäre, denn die sind schon als Mütter für das Leben und die Entwicklung des Lebens zuständig.

Nach über zwei Stunden verabschiedet sich Moore von seinen Zuschauern mit dem Mutmacher-Aufruf, Mauern einzureißen, man müsse nur genügend spechten, das illustriert er am Beispiel eines erhalten gebliebenen Stücks der Berliner Mauer, sicher in der Überzeugung, dass er mit seinem Film genau solches tue.

Die Frage, was aus seinem Film geworden wäre, wenn eine Frau ihn gemacht hätte, die stellt sich Michael Moore vorsichtshalber nicht.

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