Sicher ist, dass Moritz Bleibtreu schauspielerintensiv sich einen Wolf spielt, den braven Wolf im Anwaltspelz mit emotionalen Ausbrüchen von Gewissensbissen, dabei versucht, die dunkle Seite menschlicher Gefühle zu erkunden.
Insofern bleibt er ein einsamer Wolf in diesem Film von Stephan Rick, der mit Catharina Junk auch das Drehbuch nach dem Roman von Martin Suter geschrieben hat. Rick will wohl, wie so viele seiner Vorgänger, an einer Suter-Verfilmung sein Scheitern beweisen.
Dem Moritz Bleibtreu wurde als Partner und Gegenspieler die deutsche Hollywood-Ikone Jürgen Prochnow engagiert. Der steht wie eine Eins, wie eine dorische Säule klassisch, unanfechtbar an sich glaubend da.
Das Endspiel der beiden Gegner findet in einem malerisch herbstlichen Wald in der Nähe vom Frankfurt – vielleicht im Speßart, der deutschen Filmgeschichte zuliebe? denn ein Wirtshaus in eben diesem Wald spielt auch eine Rolle – als schwach inszenierte Pfadfinderübung statt. Wie so ein Duell kinematographisch aktuell gezeichnet werden könnte ist nachzuschauen in The Revenenat – Der Rückkehrer.
Aus den wenig sachdienlichen Dialogen des dünnflüssigen Drehbuches ist zu entnehmen, dass es sich um einen Wirtschafts-Krimi im Milieu der Pharma-Industrie handelt. Es geht um Entwicklung und Zulassung eines neuen Medikametes gegen Multiple Sklerose. Bleibtreu kommt dahinter, dass es tödliche Nebenwirkungen entfaltet, begibt sich auf Schwammerlsuche und Drogentrip in den Wald, begegnet dem Wolf und einer Frau wie einer Sphinx. Wobei schon seine eigene Frau Evelyn sphinxhaft genug aussieht.
Wieder eines dieser Multiförderprodukte, in dem das deutsche Zwangsgebührenfernsehen, SWR und Degeto, seine filmkulturgefährdenden, bösen Finger drin hat. Und bei dem sie sich wieder alle wundern werden, dass kaum jemand den Film anschauen will. Weil die Geschichte kopflastig und nicht gekonnt erzählt wird. Mit Zwangsgebührengeld Drehbuchdilettanten ernähren. Das ist der faktische Vorgang um diesen weiteren, überflüssigen Zwangsgebühren-Film herum. Wobei er immerhin zwei, drei neckische Ansichten von Frankfurt bietet aus den umgebenden Wäldern.
Es geht um eine Folgegeschichte schmutziger Tricks im Finanzdistrikt in Frankfurt – und auch für diesen findet die Kamera von Felix Cramer und Stefan Ciupek aufregend ungewöhnliche Bilder. Es geht um eine Fusion, darum, seinen Partner genau zu durchleuchten, sich zu schützen vor unliebsamen Überraschungen.
Die Hauptfigur ist zweifellos Moritz Bleibtreu als Urs Blank. Vielleicht hat auch er Probleme mit dem Drehbuch gehabt und eine Lösung gefunden, die uns Rätsel aufgibt. Er schaut von Anfang an schuldbewusst, er schaut aus wie ein unglücklicher Mensch, ein gestresster Mensch, dazu trägt die Maske ihr ihr nicht unwesentliches Scherflein bei, mit dunklen Ringen unter den Augen, diese selbst schauen deprimiert, schwerfällig, schwerblütig.
Im Wald trifft Bleibtreu auf einen esoterischen Rummel. Lernt die blonde Sphinx Nora von Waldstätten als Lucille kennen. Er macht bei einer halluzogenen Party mit. Ein Pilz scheint ihm nicht bekommen zu sein. Über den werden wir später erfahren, dass er die dunkle Seite eines Menschen aufweckt, so dass der Mensch jetzt böse wird, gewalttätig. Urs wird aggressiv auf der Straße, verursacht einen schlimmen Crash, begeht Fahrerflucht, er wird gewalttätig in persönlichen Auseinandersetzungen.
Bleibtreu spielt einen Menschen, der in seinem Gewissen anrühbar ist, der anfällig ist für Gewissenkonflikte und ist doch in einem geleckten Business, das just das nicht ertragen kann. Bleibtreu, der auch körperlich sich schwerfällig gibt, guckt schuldbewusst, so, als wisse er nicht, was mit ihm los ist. Die Chose zieht sich immer mehr in den Wald. Er ist in der Geschäftswelt nur noch als physische Ruine anwesend – andererseits hat er die von Anfang an gespielt.
So wirkt denn Film denn bald schon als ein redliches Bemühen um kinematographische Abgründigkeit, kann sie aber nicht erzeugen, wohl nicht nur wegen der Bedächtigkeit des Erzählflusses, wegen einer Langsamkeit, die das Interesse eines heutigen Zuschauers unterfordert, die oft auf Kilometer schon andeutet, was jetzt kommt, wenn Lucille nach Hause kommt und wir wissen, im anderen Zimmer sitzt Urs und sie sagt zu den anderen, sie lege schnell ihre Jacke ab, und dann ist die Kamera im Zimmer und wir wissen schon lange, dass sie jetzt reinkommt und dann Überraschung spielen muss. Das tut sie erwartungsgemäß.
So weit handelt es sich hier um mangelnde kinematographische Fixigkeiten. Die haben aber zur Folge, dass der Film wirkt, als ob er kein Geheimnis habe, auch seine Figuren nicht. Als habe einer das Buch gelesen und an manchen Stellen dazu Fotos geschossen, resp. Szenen, rein zur Illustration, nicht um im Kino dem Betrachter das Bucherlebnis zu verschaffen; das ist das häufig ungelöste Problem der Drehbuchbearbeitung einer literarischen Vorlage, wieder einmal zu leicht genommen, wieder einmal von den koproduzierenden Fernsehanstalten offenbar übersehen.
Irgendwann wird das Geleide von Bleibtreu zu viel. Auch wirken die Kleidungen bei vielen Außendrehs oft so, als seien es Wärmekleidungen, die den Schauspielern helfen sollen, die aber den Eindruck von Schwerfälligkeit erhöhen. Beim zähen Endkampf im vernebelten Wald gegen Jürgen Prochnow als Pius Ott und Gegenspieler von Urs, wird es arg gemütlich, pfadfinderhaft und man versteht längst nicht mehr, wozu das Ganze.