Dieser Film veranstaltet etwas mit einem, der fährt nasskalt eini, lässt das Münchner Winterwetter nach dem Kinobesuch noch frühlingshafter erscheinen, macht einem so richtig die Verletzlichkeit der menschlichen Natur durch die Natur und durch die Gewalt und Macht anderer Menschen bewusst.
Wer das Erlebnis in voller Tragweite genießen will, der sollte nicht weiterlesen, da jeder inhaltliche Hinweis einem Spoilern gleichkommt, denn es handelt sich bei diesem Film von Alejandro González Inßárritu um einen reinen Abenteuerfilm, der mit Spitzenleuten des Weltkinos lustvoll die Grenzen des Kinos, des Zuschauers und der menschlichen Natur austestet.
Allein wie ein massiger Braunbär mit dem Leo DiCaprio umspringt, ein Wunder dass er ihn nicht vollständig zerfetzt oder gar auffrißt (vielleicht schmeckt ihm Schauspielerfleisch nicht), da stockt einem der Atem und man kommt gar nicht dazu, nachzudenken, wie Inàrritu, der mit Mark. L. Smith auch das Drehbuch teilweise nach einem Buch von Michael Punke geschrieben hat, das trickmäßig löst.
Zum Glück überlebt DiCaprio in der Rolle des Hugh Glass, da es die Titelrolle ist. Der Schmerzen werden noch viele. Denn wenn der Bär ihn getötet hätte, würde die noch härtere Tortur des Wundversorgung in eisiger Wildnis uns vorenthalten bleiben; allein, wie eine Luftröhrenverletzung behandeln und verätzen und wie die ganzen Fleischfetzen an der Haut zusammennähen mit der Ausrüstung eines Trappers, da ist reaktionsschnelles, unzimperliches Handeln angesagt.
Das ist noch lange nicht der Höhepunkt an Schmerzen und Leiden, das ist nur der vorläufige Kulminationspunkt; das Drehbuch hat noch mehr in Petto für den massiv gebeutelten DiCaprio, der mit seinem Mischlingssohn eine Gruppe kommerzieller Biberpelzjäger (die Geschichte spielt im frühen 19. Jahrhundert) nach einem Indianerüberfall, das war das blutige Vorspiel in einem Überschwemmungsgebiet, über schneeverschneite Berge in Sicherheit bringen soll, denn nur er kennt sich aus.
Aber wie soll ein Schwerstverletzter in kaum transportfähigem Zustand das leisten? Das Boot haben sie auf seinen Rat hin, der Sicherheit wegen, flussabwärts laufen lassen, die Felle versteckt. Und da die Natur dem Menschen noch nicht Feind genug ist, da der Mensch dem Menschen ein Wolf ist, haben die Produzenten als Gegenspieler von DiCaprio als John Fitzgerald Tom Hardy engagiert, womit zwei der aktuell weltbesten Darsteller mittleren Alters aufeinander losgelassen werden, die das Duell aus der Ferne wie aus der Nähe unerbittlich auskosten bis zum bitteren Ende, bis zum letzten Atemzug, der noch für Gedanken zum Thema Rache verwendet wird.
Zwischen den heftigen, kaum eine Naturgefahr wird ausgelassen, nahrhaften Szenen beglückt Inárritu mit großartigen Landschaftsaufnahmen, die die Meister der niederländischen Landschaftsmalerei in Verzückung versetzt hätten, und auch auf der Musikspur hat er einen intelligenten, wohldosierten Mix aus Naturtönen und Orchestermusik gefunden.
Immer an der Grenze des Zivilisationsverlustes entlang in einem Film, der konsequent in der rauen Natur bleibt, hart, kalt, Schnee, Regen. Dabei gleichzeitig im Grenzbereich des Religiösen driftet, denn das Thema Rückkehr grenzt hier schon an Auferstehung – naturmystischer Art.
Ein wichtiger Punkt für die Glaubwürdigkeit der Geschichte ist, dass diese Männer nicht aus Jux und Tollerei sich in die Wildnis begeben, um Indianer oder Wildschweine abzuknallen oder um Abenteuer zu erleben, sondern dass sie sich mit der Biberjagd ein Geld verdienen wollen und dadurch ins Gehege geraten mit den Indianern, mit anderen Jägern, mit der Natur und der Menschennatur im Speziellen. Ein Film über Arbeitsunfälle im weiteren Sinne.
Zudem hat Inàrritu einen dynamischen, kinoerzählerischen Zug, dass einem die zweieinhalb Stunden wie im Fluge vorkommen. DiCaprio gibt ein großartigen Schmerzensmann ab. Er nimmt uns viel Leiden ab. Mit dieser Rolle empfiehlt er sich als Jesus für die nächsten Passionsfestspiele in Oberammergau.