Remember – Vergiss nicht, dich zu erinnern

Die apart lecker leicht skurrile Mischung aus Erinnerung und Demenz als Beitrag zur Holocaustaufarbeitung des armenisch-kanadischen Regisseurs Atom Egoyan nach dem Buch von einem Benjamin August zum Zeitpunkt des Aussterbens sowohl der Täter als auch der Opfer.

Die Armenier haben einen rassistischen Völkermord erlebt, den die Türkei bis heute leugnet. Deutschland hat viel Aufarbeitung gemacht beim Holocaust, macht sie immer noch, teils mit Filmen, die nur noch der vom schlechten Gewissen initiierten bürokratisierten Aufarbeitungsindustrie und kaum dem Publikum dienen.

Der Film von Egoyan stellt die Frage nach dem Sinn einer Rache bis zuletzt und beantwortet sie mit einem Twist, der auf der Kunst der Verdrängung und Verdunkelung aufbaut und der den Opfern eine späte Genugtuung vergönnt. Rache kann so schön sein – und kann einem im Halse stecken bleiben.

Hauptdrahtzieher der schnörkellos gradlinig erzählten und geschmeidig inszenierten Geschichte ist der Überlebende Max, Martin Landau. Er selbst ist an den Rollstuhl gefesselt und an ein Sauerstoffgerät angeschlossen, physisch nicht mehr handlungsfähig. Er hat mit seinem Leidensgenossen Zev (was Wolf bedeutet), Christopher Plummer in einer brillanten Altersrolle, noch vor dessen Demenz beschlossen, ihren gemeinsamen Quäler in Auschwitz, der unter der Raubidentität (das ist eine Info aus dem Film, dass es Nazis gegeben hat, die sich zum Untertauchen nach dem Krieg die Identität eines jüdischen Opfers zugelegt hätten) Rudy Kurlander in Nordamerika ein unbescholtenes Dasein fristen soll, aufzuspüren und seiner gerechten Selbstjustizstrafe zuzuführen und zwar erst nach dem Tod von Zevs Frau Ruth – allerdings gibt es vier Individuen diesen Namens.

Ruth ist eben vor zwei Wochen gestorben, wie der Film beginnt. Zev leidet zunehmend an Demenz. Bei einem der Gedenkriten bestellt Freund Max ihn zu sich, übergibt ihm einen dicken Umschlag mit der Anleitung für das folgende RacheRoadMovie, das Zev bis nach Kanada führen wird.

Es gilt, die vier Herren, die es unter diesem Namen in Nordamerika gibt, aufzuspüren und herauszufinden, welcher der richtige ist und dann zu handeln. Max hat alles minutiös ausgetüftelt, vieles vorausgesehen, zum Teil Hotels gebucht, Taxen bestellt.

Einer der ersten Akte ist der Waffenkauf. Wobei der Drahtseilakt bleibt, dass so ein Dementer eben auch vergessen kann, in seine Notizen zu schauen. Christopher Plummer spielt das grandios. Auch das übrige Ensemble mit teils deutschen Gastdarstellern ist bei Egoyan in den feinsten Händen.

Bei Egoyan ist es so, als sitze der Zuschauer in einem komfortablen Luxuslounge in einem ruhigen Eisenbahnzug, der durch eine Gegend fährt, in der beschaulich Themen bebildert sind, sowohl Altersheim als auch Demenz oder auch das Thema Waffenkauf und ganz nebenbei ein Tagebau mit ständigen, knalligen Explosionen oder der familiäre Hintergrund für die Denke eines Polizisten und Einsicht in einige Privatmilieus genauso wie ein wacher Blick auf Grenzkontrollen. Auch ein Streifzug durch einen kleinen Ausschnitt hervorragend beobachteten nordamerikanischen Lebens. Verwöhnkino mit Substanz.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert