Kirschblüten und rote Bohnen

Naomi Kawase zelebriert in ihrem Film nach dem Roman von Durian Sukegawa Langsamkeit und Ereignislosigkeit, denen man bis zu einem gewissen Grad durchaus gerne zuschauen mag, ein Stück weit Bela Tarr auf Japanisch.

Kawase will uns zweierlei vermitteln: erstens, dass man keine Vorurteile hegen soll gegen Menschen, die vom Äußeren her nicht zu unseren Vorstellungen passen und zweitens, dass man glücklich werden könne im Leben auch ohne Erfolg zu haben.

Zur Illustrierung der ersten Moral hat sie sich für eine Leprakranke, eine leprageprägte, alte Frau mit verkrüppelten Händen entschieden, Tokue (Kirin Kiki), die zeitlebens in einem Sanatorium für Leprakranke wohnt – dass es sowas noch gibt in Japan, mag für den Europäer ein gelinder Kulturschock sein und auch die Info, dass erst mit einem Gesetz von 1996 diese nicht mehr wie Aussätzige zu behandeln und in Quarantäne zu verwahren waren.

Die Vorurteilsgeschichte läuft so, dass Tokue beim Betreiber einer kleinen Imbissbude, das ist der andere Protagonist und der Vertreter zur Besichtigung der zweiten Moral, Sentaro, Masatoshi Nagase, anfängt, die Bohnenpaste für die beliebte japanische Süßspeise Dorayaki zuzubereiten; bisher hat er ein nicht sonderlich schmackhaftes Fertigprodukt aus dem Großhandel bezogen.

Mit Tokues Paste fängt der Erfolg für den kleinen Laden an. Bis die Hände von Tokue bemerkt werden. Das bringt den Erfolg zur Erosion. Und auch die Ladenbesitzerin macht Sentaro Vorhaltungen. Sie will den Laden umkrempeln und ihren kaugummikauenden Milchbubi von Neffen reinbringen, der eine Kochlehre hinter sich habe.

Zudem ist Sentaro hoch verschuldet bei seiner Chefin, eine Knastvergangenheit hat er auch und er spricht gerne dem Alkohol zu. Er hat keine Aussichten, seine Schulden je abzubezahlen, wie also hier die zweite Moral des Filmes, dass man auch ohne Erfolg glücklich sein könne, sich bewahrheiten will, das ist mir schleierhaft. Denn mit Tokues Tod wird auch eine allfällig sich anbahnende leise Liebesgeschichte, die das Leben wert und erträglich machen könnte, hinfällig.

Schleierhaft bleibt auch, warum ich mit der gesetzlichen Haushaltsabgabe zur Finanzierung des öffentlich rechtlichen Rundfunks diesen Film mitfinanzieren muss, denn ZDF und arte fungieren als Koproduzenten. Das dürfte mit dem Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht die Bohne was gemeinsam haben, oder steht darin irgendwas von der Förderung internationalen Koproduktionen?

Die Kirschblüten aus dem Titel sind in keinem Zusammenhang mit der Moral zu sehen, sie dienen als hübsches, schwärmerisch-weibliches Dekorelement. Es ist jedoch auch ein Film über die Liebe, zumindest über die Liebe zum Kochen, da gibt es lyrische Beschreibungen von Tokue, wie der Koch oder die Köchin sich den Bohnen zuwenden soll. Die Liebe zu Sentaro bleibt der Vorstellung des Zuschauers überlassen. Zu fett ist allerdings die Werbung für das Sapporo-Getränk geraten, groß genug, um eine Ausstrahlung im Deutschen Fernsehen wegen illegalen Product-Placements nicht zu erlauben.

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