Kuno Bont, der Autor und Regisseur dieses Filmes, erzählt Einiges in 90 Minuten, ein ganzes Leben, eine geballte Ladung Alpendrama in drei Akten und hat dabei brisante Themen unserer Zeit im Hinterkopf.
Die Alpen sind hier nicht freundlich, sehen nicht nach Yogurth-Werbung aus wie im neuesten, oberflächlichen Heidi-Film. Die Alpen sind hier abweisend, steil, stotzig, bedrohlich, undurchdringliche Wände. Menschen, die hier leben, müssen Konzessionen machen, sich anpassen, müssen kleinste Räume und Zeitfenster für die Lustigkeit, die Gemeinheit, das Leben und den galligen Humor nutzen.
Bont hat sein Drehbuch nach einer wahren Geschichte, nach der Biographie von Katharina Walser geschrieben, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts als Migrantin von Österreich, Armutsmigrantin, Fremdarbeiterin, in die Schweizer Berge gegangen ist, um Geld zu verdienen als Serviertochter und auch Putzfrau im Dorfrestaurant „Schäfli“.
Die Kinder musste Katharina zuhause lassen. Ihr Geld legt sie in einer kleinen Holzkiste zur Seite. Als Frau allein in dieser Position in einem Dorf, in der Wirtschaft dazu. Sie will ein Liebesleben. Verlieben tut sie sich in den attraktivsten, zupackendsten Mann im Dorf, in Tres, Gian Rupf, selber verheiratet, aber ein uriger Mann und Wilderer dazu. Katharina wird gespielt von Simona Specker, vor einem halben Jahrhundert hätte man die Rolle mit Maria Schell besetzt. So ist das adäquat.
Umgeben ist das Liebespaar von einer Dorfgemeinschaft, die die nicht zu verbergenden Anzeichen dieses Liebesleben lebhaft beobachtet. Im Zentrum des Dorfes, im Konsum, Drehscheibe der Moral, steht Frau Gächter, Margrit Knecht, eine fein ziselierte, aber umso bestimmtere Dorfmoralistin, oberste Sittenwächterin, die sich selbst nie als solche bezeichnen würde; sie sitzt im Konsum wie die Spinne im Netz, in dem das Liebespaar hängen bleibt, träufelt ihr wirksames Gift in die empfänglichen Seelen.
Weniger raffiniert bösartig, dafür handlungsaktiver sind die Männer. Sind sie vielleicht vom Frauentratsch gegängelt, von der Denunziation infiltriert? Besonders diejenigen, die bei Katharina nicht landen; denn sie lässt nicht einen jeden ran. Schon gar nicht den Wirt Kari, Leander Marxer, ihren Arbeitgeber und in dessen Haus sie wohnt und der Frau und Kind hat.
Dann der Bürgermeister, eine prototypische Politikerfigur, schmierig bis dort hinaus, Hans-Peter Ulli spielt diesen Lukas Gantenbein als einen, der sich seiner politischen Mittel sehr wohl bewusst ist. Der Gemeinderat tanzt nach seiner Pfeife. Seine Macht reicht bis zur Wegnahme der Kinder. Denn zu dem Zeitpunkt hat Katharina es, pünktlich zur Mitte des Dreiakters, zu einem Moment von Glück mit Tres als Mann und einem gemeinsamen Kind gebracht. Aber schon dem Gesetz des Dramas folgend, kann dieses Glück nicht lange währen. Die Werkzeuge des frustrierten Dorfchefs reichen bis zur Einlieferung von Katharina in die Psychiatrie, da echot der Fall Mollath gewaltig.
Die Politik verfügt über weitere Mittel der Schikane: Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. Gantenbein setzt sie skrupellos ein.
Gegen diese geballte, gesetzliche, vorgeblich legale Infamie hat der einzig aufrechte Bürger des Dorfes, Toni Gabathuler, Berthold Specker, der nicht so ein Tier und Säufer von Mann oder dumpf ist, wie die übrigen Gemeinderatsmitglieder, sondern der seriöse Betreiber eines Webstuhles, keine Chance, wenn er seine Stimme gegen die bösartige, fremdenfeindliche Dorfpolitik erhebt.
Musikalisch wird der Film anspruchsvoll mit moderner Alpenmusik gemäß dem Spannungslevel untermalt, es kommt einem der Film „Heimatklänge“ in den Sinn und dazu das quellfrische Gurgeln eines nicht weniger musikalischen Alpendialektes.
Wie in einem traditionellen Theaterstück fehlt der Dorfnarr nicht, der Idiot, entzückend von Kevin Oeler dargestellt, immer mit seinem Uniformbüschel auf der Schulter der Jacke. Er ist immer dabei, fungiert als Barometer der Gereiztheit im Dorf.
Es geht hier exemplarisch um Vertrauensverlust zu den Menschen, um Missbrauch von Gesetzen, um Migration, Abschiebung, ungesetzliche Einkerkerung, Armut, Libido, Seitensprung, Heimarbeit und Kindsentzug, Psychiatrie, sowohl Zwangseinweisung (zehn Jahre für Katharina), als auch fragwürdige Behandlungsmethoden, u.a. das titelgebende Deckelbad, worüber man gerne mehr erfahren hätte, und auch persönlichkeitsentstellende Gehirnoperation (präfrontale Lobotomie). Alles Themen, die einem in den Formulierungen dieses Filmes hockaktuell vorkommen, wenn auch selten in einem so überschaubaren Mikrokosmos herausfiletiert.
Hier wird eine Alpenwelt gezeigt, die Menschenwelt auf schwierigem Terrain ist und nicht wie in Heidi eine Alpenwelt die locker-flockig als Kulisse fürs Juhuen, Schockoladenwerbung und Schnellheilungen von Lahmen vereinfältigt wird.