Die Magie in diesem Film ist die, dass man glaubt, einem realen Stück Leben im Japan unserer Tage zuzuschauen – und dabei ist alles durch und durch erfunden und inszeniert – von Hirokazu Koreeda (Like Father, like Son). Für das Drehbuch hatte er ein Manga von Akimi Yoshida als Grundlage, die Erfindungen sind also solide grundiert.
Drei Schwestern leben harmonisch in einem wohnlichen, japanischen Haus in den Hügeln am Meer. Der Vater ist mit einer anderen Frau abgehauen. Die Mutter lebt bei einem anderen Mann in Sapporo.
Der Tod des Vaters ruft die Schwestern zu den Trauerfeierlichkeiten in eine entferntere Ortschaft. Dort treffen sie ihre etwa 14 jährige Halbschwester, ein aufgewecktes, sportliches Mädel. Bei ihrer Mutter fühlt sie sich nicht wohl. Schnell und leicht nimmt sie das Angebot ihrer drei älteren Schwestern an, die ihr mit dem Tod des Vaters zufallen, und zieht zu ihnen.
Formalitäten interessieren nicht. Und klar, so eine biographische Nacherzählung hört sich dröge an. Die kleine Schwester lebt fortan mit den drei größeren zusammen.
Spannend ist hier nicht unbedingt der Storyfaden, sondern wie Koreeda das meisterhaft inszeniert. Dabei wird der Faden der Geschichte in fast pausenlosen Gesprächen fortgesponnen, wobei immer auch Splitter über die Schicksalssituation der Einzelnen sichtbar werden.
Alles keine runden Schicksale, Verrat und Verlassen des Partners, kein Glück mit den Männern, Mütter, die sich nicht um ihre Kinder kümmern, Väter, die die Familie verlassen, Leute, die auf ein Erbe scharf sind, Banker, die betrügen, aber auch Versöhnung mit einer Mutter, die abgehauen ist – und trotzdem wirkt durch die geschmeidige Erzählweise alles wie eine ideale, runde Welt, was die wohldosiert eingesetzten Musikeinheiten noch verstärken.
Wie in Japan üblich, wird sehr viel gegessen im Film, das bietet Anlass für Querverweise, Erinnerungen, die mit bestimmten Essen oder Gerüchen und mit bestimmten Personen verbunden sind.
Ein Bild, was immer wieder vorkommt, sind die Schwestern auf ihrer Terrasse als Teil der Wohnung, wie auf einer Minibühne, japanisch möbliert, dicht zusammengedrängt sind sie da beieinander, meist essend und die Themen weiterspinnend.
Es geht um Trauerfeierlichkeiten, über die Männer. Jede der Frauen hat eine Männerbeziehung. Die eine hat immer Pech und gerät an Halloderis. Mit einem solchen fängt der Film an. Gleich eine Überraschung, weil man sich ja auf drei Schwestern einstellt. Eine junge Frau liegt mit einem jungen Mann im Bett, er an ihrem Rücken, sie steht auf, sie muss zur Arbeit. Kurz bevor sie geht, pumpt der ach so sympathische junge Mann sie um Geld an.
Die Älteste arbeitet in einem Krankenhaus, hat ein Verhältnis mit einem verheirateten Arzt. Eine Klischeebeziehung, die als individuell gezeigt wird. Sie wird Chefin der Palliativstation. Was wiederum den Kreis zur krebskranken Wirtin eines beliebten Imbisses schließt. Alles ist mit allem verbunden. Der Mensch mit der Natur. Die Natur mit der Technik. Jede Szene mit der anderen.
Darum gibt es viele Aufnahmen von angenehm weicher Natur und vom Meer und von verschachtelten Siedlungen am Berghängen und von kleinen Eisenbahnlinien mit Zügen wie bei einer Spielzeugeisenbahn.
Nichts verströmt hier Schrecken, alles ist natürlich, das Leben, das Vergehen, die Komplikationen, das Zusammengehen und die Trennung. Deshalb gibt es viele Ankunfts-, Abfahrts- und Abschiedsszenen. Alles gehört zum Leben. Werden und Vergehen wie in einem magischen Kaleidoskop.
Bald hat auch die kleine Schwester einen wunderbar halbreifen Freund, der in der Entwicklung hinter ihr zurück ist, die Rolle aber schon perfekt spielt. Er will ihr, die sich auf dem Sozius seines Fahrrades befindet, einen Tunnel zeigen – es ist ein Tunnel gebildet von einer Allee aus Kirschblüten. So traumhaft geht das nur im Kino.
Die Mädels sind keineswegs weltfremd oder hochkulturetepetete, sie trinken liebend gerne Schnaps mit Früchten, wobei man auf diese noch Widmungen kritzeln kann. Und Feuerwerk. Und Kimono. Und am Saum des Meeres entlangjuxen. Hier schmeckt das Leben verführerisch wie in Schnaps eingelegte Früchte.