Madame Bovary

Bereits die erste Szene, die an den Beginn gesetzte Schlussszene, zeigt schnell, worauf es Sophie Barthes, die mit Felipe Marino auch das Drehbuch nach Flaubert geschrieben hat, ankommt: das Bild ist schön, wie eine Frau in einem rauschenden, ausladend goldgelben, historischen Kostüm durch einen herbstlichen Waldweg rennt, macht klar: das Bild muss schön sein, das Gemälde interessiert Frau Barthes am Stoff, der Stoff der Gewänder im Bild.

Denn aus der ersten Szene wird nicht gleich klar, ob diese Frau, es ist Mia Wasikowska (Crimson Peak, Maps to the Stars, Spuren, Stoker – die Unschuld endet), als Emma und Madame Bovary, wegrennt vor etwas oder hinrennt zu etwas; die Wahrheit dürfte auf beiden Seiten liegen, vorm Leben rennt sie davon, das sie führt, aber die Zukunft sieht eher wie das Ende aus. Das Endbild der Szene zeigt sie gemäldehaft ausgebreitet am Boden liegend.

Noch deutlicher wird Barthes‘ Interesse am Gemäldehaften, am Genre- oder Sittengemälde einer verflossenen Zeit als es noch keine Autos gab, in der darauf folgenden, an den Hauptschauplatz heranführenden Ouvertüre.

Sie zeigt ein Stück aus dem Vorleben von Madame Bovary, das Leben als junge heranzuziehende Frau im klösterlichen Konvent. Da kriegt Sophie Barthes nicht genug von den Schilderungen dieser Beschaulichkeit wie auf alten Gemälden mit viel Liebe zum Detail und zur Ausstattung – die Menschen interessieren merkwürdigerweise dadurch nicht besonders. Sie wirken als werden sie an den allzu sichtbaren Fäden der Regisseurin bewegt.

Das ändert sich kaum, wie die „Geschichte“ sich ihrem Zentrum nähert. Hochzeit mit Charles, Henry Lloyd-Hughes, einem praktischen Landarzt, fachbezogen, der eine der ersten Klumpfußoperationen vornimmt, auch das eine ausführlich und schmerzdetailhaft geschilderte Szene.

Von Liebe zwischen den beiden ist von Anfang an nicht viel zu spüren. Von ihrer Unzufriedenheit schon. Charles geht auf in seinem Beruf. Ist im Hinblick auf Beziehung und Liebe ein rechter Trottel.

Barthes hat aber das Drehbuch nicht so geschrieben, dass sie aus dieser Figurkonstellation Dynamik und Dramatik ziehen würde. Sie hat vollständig auf eine Charakterisierung der Hauptfiguren im Hinblick auf einen Grundkonflikt verzichtet. Die Charakterisierung von Emma passiert primär durch die Kostümabteilung, die ihr von Szene zu Szene eine neue Garderobe verpasst.

So wird der Zuschauer denn eher durch eine großartige Gemäldegalerie geführt, die einem Catwalk historischer Damenmode gleichkommt, Mia Wasikowska in rotem Gewand, in blauem, im Interieur oder im Walde. Wasikowska wirkt hier zusehend durch den Wind gezogen. Das ist mehrfach deutbar ist; ausgepumpt von den vielen Rollen oder von Regie und Drehbuch, was das innere Need der Figur betrifft, kläglich im Stich gelassen.

So irren wir denn mit Wasikowska in ständig neuem Outfit durch die Gemäldesammlung von Jagdgesellschaften und Kutschen und Modehändler und Operationen oder knarzender Fickszene mit anschließendem Schwenk auf ein Spinnennetz zu heimlichen Besuchen beim Marquis (Logan Marshall Green), der als Typ kein bisschen spannender rüberkommt als Emmas Mann oder sie vögelt in Rouen mit Leon, Ezra Miller, der vor allem mit seiner jugendlich schwarzen Haarpracht und dem bleichen Teint brilliert.

Wie das so ist mit Gemäldesammlungen, vor allem wenn man zu Fuß noch dazu wie hier mit Wackelkamera unterwegs ist: sie ermüden. Da kein Spannungsbogen angelegt ist, ist auch zu keinem Zeitpunkt abzusehen, wann es denn endlich zum Ende kommen würde, das wüssten Besucher von Museen gelegentlich gern. Das verrät erst das einzige Kleid, das zweimal vorkommt – in der identischen Szene.

Symptomatisch: dass Emma auf eine Art Weggabelung zuläuft, kurz eine Irritation in ihren Gang legt und sich denn für den Fortgang des Weges nach rechts entscheidet. Deutung bleibt dem Zuschauer überlassen. Als Titel dieser Kunstausstellung könnte gelten: neu aufgelegte, alte Schinken zum Thema: Lob, Reiz und Desaster von Seitensprüngen.

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