Doppelter Culture Clash der sanfteren Sorte innerhalb des Filmes zwischen Indien und dem Traum von Amerika, das konsequent Umrika ausgesprochen wird, und zwischen indischem Kino und westlichem Kino, westlichem Themen- und Thesenzugang sowie deren Bearbeitungsmodus.
Wir analysieren, wir dröseln auseinander, wir untersuchen die Dinge oder speziell in Deutschland der beliebte Themenfilm, der Befindlichkeitsfilm, ein Bastardenkino des Fernsehens und dann auch die Themen selbst.
Im indischen Film von Nahant Prahir geht es um einen existenziellen Mutter-Sohn-Konflikt, der als eine indische Kinoleckerei wie Kardamon in ein fettes, süßes Halwa eingebettet ist, der aber selbst in keiner Weise angetastet noch irgendwie diskutiert wird. Dies alles in schön klassisch-epischen Bildern erzählt.
Mit verführerisch schöner Exposition des abgelegenen, auf einem Hügelzug sich befindlichen Dorfes Jitvapur, das noch nicht elektrifiziert ist; es ist die Zeit, in welcher der Kalte Krieg sich dem Ende zu neigt, was auch in Indien wach wahrgenommen wird, entsprechend dem Interesse an Amerika, an Umrika.
Die Elterngeneration kann noch kaum lesen. Eine Schule gibt es. Unser Protagonist, anfangs des Filmes noch ein Bub, Ramakant kurz Rama genannt, interessiert sich erst für die Schule, wie von seinem Bruder Udai der erste Brief aus Amerika kommt. Dessen Abschied vom Dorf, das in solchen Momenten, wie auch wenn der Briefträger kommt, wie ein Chor, wie eine verschworene Gemeinschaft beisammen steht und alles mitkriegen will, ist die erste Spielszene im Film nach das Terrain abtastenden establishing Shots über die Gegend, die Tiere, die Häuser. Der Mutter, die als sture Frau geschildert wird, fällt dieser Abschied schwer, es ist ihr ältester Sohn.
Wie Rama ein junger Mann ist, stirbt der Vater. Dieser Tod bringt ein wohlgehütetes Geheimnis über den älteren Bruder Udai an den Tag. Rama entschließt sich, diesem auf die Spur zu kommen. Dazu muss er das Dorf verlassen. Er wird am Lügengebäude, das schon der Vater über das Verschwinden des älteren Bruders der Mutter gegenüber aufrechterhalten hat, festhalten.
Rama schlägt sich in Bombay als Ausfahrer von Halwa-Paketen durch, gerät in kriminelle Kreise; auch seinen eigenen Job hat er sich nicht ganz sauber ergattert. Das scheinen Auswirkungen und Folgen des nie diskutierten Themas eines extremen Konfliktes zwischen Mutter und Udai zu sein. Dieser Konflikt muss so groß gewesen sein, dass Udai sich gezwungen sah, den Kontakt ganz abzubrechen.
Ein Film also um ein unbesprochenes Problem, für unsere Sichtweise gewöhnungsbedürftig, Culture Clash im besten Sinne. Wobei hinzukommt, dass – zumindest ist mir im Moment aus dem deutschen Kino kein neuerer Film präsent, der so einen existentiellen Mutter-Sohn-Konflikt behandelt – dass dieses Thema in unserer Welt offenbar kein Thema fürs Kino ist, Mütter, die ihre Söhne nicht loslassen wollen, Söhne, die nur mit Gewalt und einem Lügengebäude von der Mutter loskommen. Hängt womöglich mit der weit fortgeschrittenen weiblichen Emanzipation zusammen, die so etwas strikt von sich weist; zumindest passt so ein Thema nicht in ein Weltbild, das sich selbst so fortschrittlich gibt wie das unsrige.
Signifikant ist auch die Inszenierung der Kommunikation durch Blicke und der Kontrolle durch Blicke. Wie der aufgewachsene Rama mit seiner Mutter durch das Nachbarstädtchen spaziert und sein Blick zwei tibetischen Mädchen nachhängt, sieht das Mutter und kommentiert es gleich in dem Sinne, dass sowas überhaupt nicht in Frage komme.
Sonst wird im Film nichts erklärt, nichts analysiert, es wird nur genau beschrieben, auch die taffe Tochter des Wirtes in Bombay, zu der sich ein Verhältnis von Rama entspinnt.
Über die Allmacht einer Mutter, als gnadenlos luftdicht verpacktes Thema präsentiert im Stile eines nicht allzu geschmeidigen Studiokinos. Kleine Kistchen mit Hinterlassenschaften und Gesammeltem spielen eine große Rolle für erzählerisch-illustrativen Input anstelle von Analysen. Und, Liebe zum Kino, auch das Kino oder öffentlich gezeigtes Fernsehen spielen eine wichtige Rolle. Etwas würde noch interssieren, wie viel sind 200’000 was?