Ich und Earl und das Mädchen

Pubertäres Krebsdrama aus einer schwer möblierten, wenig attraktiven amerikanischen Einfamilienhausprovinz.

Alfonso Gomez-Rejon hat den Bestseller von Jesse Andrews nach dessen eigenem Drehbuch verfilmt. Das Ich im Titel, das ist Greg, lebt noch zuhause, ist am College und dreht mit seinem Freund Earl Kurzfilmanimationen, wie bürgerliche Kids es tun, um damit parodierenderweise Filmerfahrungen zu sammeln und zu verarbeiten.

Im letzten Jahr des Colleges wird Mitschülerin Rachel krank; Leukämie ist diagnostiziert worden. Greg wird von seiner Mutter dazu verdonnert, sich um das Mädchen zu kümmern. So ein Vorgang wird im Film selbstverständlich reflektiert: er findet es blöd, dass er sich, jetzt da das Mädel krank sei, plötzlich um sie kümmern soll und sie findet es aus denselben Gründen genauso dämlich.

Die Mutter des Mädels ist enthusiasmiert vom Jungen, der so grenzenlos großherzig und großzügig (so die spätere Charakterisierung durch die Patientin) ist und dadurch zeigt, dass er ein guter Mensch ist, wobei er just durch diese Aktivität in die erste Prügelei hineingerät, eine Angelegenheit, die bei ihm typologisch nicht vorgesehen ist.

Er und sein Freund Greg wollen als Überraschung für das Mädel einen Film drehen, sie machen Interviews mit Mitschülern, Bekannten und Verwandten, die sollen alle gute Worte finden. So richtig kommt Greg damit nicht vom Fleck. Andererseits vernachlässigt er wegen dem Mädel die Schule, so dass seine Aufnahme an die Uni gefährdet ist.

Mein Problem mit diesem Film ist nicht, dass er glaubwürdig macht, dass seine Grundlage ein Bestseller ist, es scheint mir viel eher, dass der Regisseur und auch der Autor in seiner Drehbuchbearbeitung zu sehr versucht haben, möglichst nah an diese an und für sich nicht besondere und nicht besonders attraktive Lebenssituation heranzukommen. Sie scheinen mir aus ehrlicher Überzeugung und der ehrlichkeitshalber möglichst nah an biographischen Vorbildern kleben zu wollen, keine Distanz dazu zu haben, so dass der Film selber wirkt, wie das Werk eines begabten, tüfteligen Schülers, der aber noch lange nicht den Überblick hat. Nähe schafft er dadurch auf jeden Fall.

Dass der Erzähler zu sehr verwoben ist in seiner Geschichte und Dinge für nicht weiter anlysierenswert hält, das kann soweit führen, dass für den Zuschauer momentweise der Eindruck entsteht, Entschuldigung, was geht mich diese Geschichte an, dass ich mir fast als ungebetener Zaungast vorkomme. Dass aber die Möglichkeit einer solchen Zuschauerreaktion, bei aller zur Schau gestellten Selbstreflexivität des Filmes, nicht bedacht worden ist, dass von seinem selbstverständlichen Interesse für den Fall ausgegangen wird, just diese Haltung kann den Zuschauer ausschließen. Nicht leicht, das unangenehme Gefühl, was mir dieser Film vermittelt, zu analysieren.

Für die glatte, deutsche Synchro, die momentweise an Sandmännchen erinnert, können allerdings die Filmemacher selber nicht belangt werden.

Dann auch wieder dem Ehrlichkeitsbedürfnis der Macher geschuldet der Eindruck von Groschenromanze, weil sie selbst sich von den Gefühlen mitreißen lassen, was in Richtung schwerblütiges Drama geht, wenn ellenlang zwischen dem bereits todkranken Mädel und Greg diskutiert wird, ob und mit wem er an der Prom-Night teilnehmen soll.

Abgesehen davon, dass die Atmosphäre durch und durch prüde ist. Da kommt die sexy Madison nicht an dagegen. Das Non plus Ultra an Schwerblütigkeit ist die Höhepunktsszene zwischen Rachel und Greg vor der Prom-Night, wo er ihr endlich den Film zeigt, auch das macht der Filmemacher sehr schön, wenn Greg selbst vor der Leinwand steht. Greg wird gelobt oder kritisiert für seine übertriebene Bescheidenheit.

Es sind vermutlich ehrenwerte, lautere Motive, die bei aller Sympathie, die sie erwecken, gegen den Film arbeiten, gegen die Freiheit und befreiende Wirkung des Kinos.

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