The Walk

Ein gewagtes Unternehmen, die beiden World Trade Center Türme in New York computeranimiert wiederauferstehen zu lassen. Und sie noch dazu aggressiv, protzig, kapitalistisch mitten in New York wieder hinzustellen, provokant, um den ersten Anschlag, der ihnen gegolten hat, zu reenacten. Es war ein anarchistisch-künstlerisch-artistischer Anschlag.

Der Extremseiltänzer Philippe Petit spannte bei Nacht und Nebel kurz vor der Eröffnung des 2. Turmes, am 6. 8. 1974 ein Drahtseil zwischen den beiden Türmen und überquerte dieses einzig mit einer langen Balancierstange in der Hand und ohne weitere Sicherung zum Ah und Oh einer schnell und unübersehbar anschwellenden Zuschauermenge und einigen irritiert hampelnden Polizisten, die nach und nach die beiden Wolkenkratzerdächer bevölkerten. In diesem Moment hat der Artist einen Flashback an seine erste Flucht, noch in Paris, vor den Polizisten, auch der Zuschauer hat das mitbekommen, und es wird ihm klar, über das Seil werden sie ihm kaum folgen können – eine atemberaubende Patt-Situation.

Bei Robert Zemeckis, der mit Christopher Browne nach dem Buch von Philippe Petit „To reach the Clouds“ auch das Drehbuch geschrieben hat, ist dieser Stofft, ist diese Sensationsgeschichte in besten Händen, die die Hektik und den Lärm und die Ellenbogengesellschaft der Millionenmetropole mit Ruhe und Konzentration gelassen kontert.

Zemeckis dosiert den langen Spannungsbogen vom Rückblick in die Jugend von Petit über die entscheidende Begegnung mit dem gepfefferten Papa Rudy, grandios von Ben Kingsley dargestellt, das Einpflanzen der Idee mit dem Extremseil-Akt zwischen den Twin-Towers über den Probelauf zwischen den Türmen von Notre Dame in Paris bis zur Realisierung des Wagnisses in New York, mit Augenmaß bis zur schieren Unerträglichkeit auf dem Seil 110 Stockwerke über dem harten Pflaster von New York, wobei 3D einen brutal verstärkenden Effekt ausübt.

Für die Rolle des Superartisten und Seilabenteureres Phlippe Petit hat sich Zemeckis der Mitarbeit von Joseph Gordon Levitt versichert, der daraus einen ganz seltenen Fall von 100prozentiger darstellerischer Glaubwürdigkeit entwickelt, Artist mit der Körperspannung von der Mitte heraus, immer mit Haltung (wobei eine wunderschöne Sache der Exkurs und die späteren Referenzen auf die Höflichkeit des Akteurs dem Publikum gegenüber ist; der Film selbst kommt mir vor wie eine grandiose Geste der Verneigung des Altmeisters Zemeckis vor seinem Publikum).

Für die Rahmenhandlung hat Zemeckis Petit auf einem riskanten Vorsprung der Freiheitsstatue mit Blick auf die Twin Towers als Ich-Erzähler platziert, und dieses Sprechen eben nicht als Schauspieler-Sprecher-Könner zu bringen, sondern als das eines Artisten, der das ja nicht gewohnt ist, für den Amerikanisch außerdem eine Fremdsprache ist, eine schauspielerische Aufgabe, bei der jeder Rückgriff auf irgend eine handwerkliche Routine so tödlich wäre wie der Absturz vom Hochseil.

stefe ist sehr angetan und beschwingt von diesem Kino, was sich ganz unprätentiös auf seine Ursprünge als Jahrmarktsensation besinnt.

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