Ein Zwitter aus Robinsonade und No-man-left-behind-Film.
Filmisch mag Ridley Scott dieses Drehbuch von Drew Goddard nach dem Roman von Andy Weir nach allen Regeln der Kunst und mit viel technischem Detailkram nach bestem Wissen und Gewissen auf die Leinwand gehievt haben; am Ende bleibt es doch ein „get-him-home“ / „bring him home alive“-Story im Sinne der No-man-Left-Doktrin. Der Mann muss vom Mars zurückgeholt werden.
Der Home-Teil des Filmes, der NASA-Teil, die Hurras und die gebannten Blicke auf die Bildschirme in den gigantischen Kommandozentralen, die Notfalleinsatzplan-Besprechungen, ja sogar die Kooperation mit dem Feind China, bleiben Stereotypien bis zum Geht-nicht-mehr, erwartbar und voraussehbar in allen Ausformungen.
Matt Damon ist der Held des Filmes mit dem Namen Mark Watney. Er ist beim panikartigen Aufbrauch seines Teams wegen eines mörderischen Marssturmes zurückgelassen und für tot gehalten worden. Im Hauptteil des Filmes dürfen wir ihm zuschauen, wie er sich pudelwohl wie in seinem Schrebergarten fühlt und den Marsrobinson spielt, bis er – das ist von Ridley Scott wirklich schön gefilmt – mit einer von ihm ruppig umgebauten Raumkapsel vom Mars abhebt und sich in die Nähe der rettend herbeigeilten Raumfähre katapultiert, um in der Luft von seiner Chefin aufgefangen zu werden. Das ist der Gravity-Moment des Filmes, der die biedere Drehbuch-Struktur und die teils einfältigen Texte und den Mangel jeden Ernstes und somit auch jeglichen Humors besonders schmerzlich spürbar macht.
Das Hauptkorpus des Filmes muss Damon allein auf dem Mars bewältigen. Er schafft es, nicht einen Augenblick das Gefühl von gewaltiger Einsamkeit und Weite aufkommen zu lassen, gar die Nähe des Todes, die existentielle Ausgesetztheit wie Robert Redford in All is Lost sie grandios verkörpert – freundlicherweise würde ich von einer Fehlbesetzung sprechen.
Denn Matt Damon ist just nicht der Typ des Grenzen testenden Wissenschaftlers, da ist er mir viel zu bequem, zu statisch, in sich selbst ruhend, vor allem fehlt das Abenteurerhafte, die wissenschaftliche Neugier und da kommt der dritte Vergleichsfilm ins Spiel „Zwischen Himmel und Eis“ von Luc Jacquet, der später dieses Jahr in die Kinos kommen soll, ein Portrait des Antarktisforscher Claude Lorius, gut bestückt mit Super-8-Originalaufnahmen von extrem waghalsigen Antarktisexpeditionen; wie Lorius bei zweistelligen Minusgraden einen umgeknickten Eisenmasten von Hand repariert, wie die eisigkalten Schrauben sich bei jeder Berührung fast an die Finger schweißen: dagegen ist das, was Matt Damon hier bastelt, eine niedliche Jugendfreizeitübung, nicht weiter von Belang. Bei ihm sieht man in jeder Sekunde im Hintergrund seinen Wohnwagen, in dem er pausieren, relaxen und sich umziehen kann – selig in diesem Film, wer den Jacquet-Film nicht kennt, gegen Lorius wirkt Dammon wie eine Dumpfbacke.
Wie ein Kind quietscht Damon, I am not here to die. Aber die vielen, dämlichen Texte hat nicht er geschrieben. Vor lauter Detailversessenheit wirkt Ridley Scotts Film besonders anfangs, als ob er dazu diene, das Funktionieren einer hochtechnisierten Marsstation zu demonstrieren, Schulungsfilm, Werbeprospekt oder eine Anleitung für Selbstversorger auf dem Mars. Wobei mir der Zugang zum Gefühl der Schwierigkeitsgrade mangels technischem Wissen über die einzelnen Vorgänge und Zusammenhänge abgeht.
Angesichts der Dimensionen einer solchen Expedition und der Gefahr wirkt ein salopper Satz wie „and we are in business“ nur lächerlich, fehlt nur noch die Fortsetzung „as usual“; tja, wo bleibt da noch der Abenteuerfaktor?
3D ist einmal mehr nur lichtschluckend, bei dem eh wenigen inhaltlichen Geist und ist vollkommen überflüssig, reine Geldmacherei.
Selbstmitleidig hört sich der Satz an: I am looking forward to not dying – aber man hört ihm an, dass er das Drehbuch zu Ende gelesen hat und aus der Misere lebendig herauskommen wird. So wirkt der Satz mehr wie aus einem Überlebenscamp.
Sowieso wirkt die Erzählhaltung, wie das Drehbuch sie bestimmt, anbiedernd, ha ha, jetzt mach ich ein Witzchen, nach dem gelungenen Kartoffelanbau mit Dung aus den verschweißten Exkrementen meiner abgeflogenen Teammitglieder: technically, I colonize Mars.
Nach dem toten Punkt nach einer Stunde wird klar, dass jetzt ein Unglück passieren muss. Tut es zuverlässig. Oder auch lächerlich, besonders im Vergleich zum Jacquet-Film, wie Dammon sich den gesprungenen Helm mit Klebeband repariert.
Zum Thema Robinsonade gibt es einen wunderschönen Hollywood-Vergleich, aus dem ersichtlich wird, wie spannend und grandios so etwas gemacht werden könnte: Robinson Crusoe von Luis Bunuel.
Ich frag mich auch wie das mit dem Klebeband funktionieren soll, wenn außerhalb vom Helm Vakuum ist und im Inneren ein Luft Gemisch.
Das Klebeband würde nur halten, wenn es im Inneren des Helmes geklebt werden würde.
Aussen würde es durch das außen befindliche Vakuum weg gerissen
Da sieht man, was für ein Genie Matt Damon bei aller Biederkeit ist, setzt kurzerhand ein paar phyiskalische Gesetze außer Kraft! Erstaunlich, dass ihm dabei die Birne nicht platzt.