Der Staat gegen Fritz Bauer

Ein mächtige Illustration zu einem der schwierigsten Konflikte in der jungen Bundesrepublik, dem Thema Aufarbeitung der Nazizeit am Beispiel des jüdischen Staatsanwaltes Fritz Bauer, der Adolph Eichmann aufgespürt hat und dem Mossad den Zugriff überließ, weil auf die deutschen, altnaziverseuchten Dienste kein Verlass war, zu viele Seilschaften. Fritz Bauer hat auch die Auschwitzprozesse auf den Weg gebracht.

Lars Kraume hat sich dieses Kapitel deutscher Geschichte vorgenommen und mit Olivier Guez auf der Grundlage von dessen Buch „Heimkehr der Unerwünschten – eine Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945“ auch das Drehbuch geschrieben (von Lars Kraume war zuletzt zu sehen, der deutsche Tumor-Befindlichkeitsfilm Meine Schwester); ein weiteres Beispiel für sein Gebrauchskino wird Mitte Oktober ins Kino kommen: Familienfest.

Fritz Bauer war im KZ, schwor der SPD ab, um frei zu kommen und widmete sich nach der Rückkehr aus dem Exil in Dänemark als hessischer Generalstaatsanwalt der Aufarbeitung der Nazizeit, vertrat die These, dass dieses Unrecht in der Bundesrepublik verhandelt werden müsse. Was im Falle Eichmann allerdings vorgeblich höheren, politischen Interessen (Waffenlieferungen für Israel) geopfert werden sollte.

Der Film konzentriert sich auf die Geschichte des Aufspürens Eichmanns, die divergierenden Interessen darum herum, stellt einen berühmten Auftritt Bauers in einer frühen Talkshow „Heute Abend Kellerclub“ nach, die ihm viele Morddrohungen eingebracht hat, zeigt, wie er den zweiten Zeugen findet, der die Existenz Eichmanns in Argentinien belegt und wie er damit den Mossad zum Handeln bringt, während gleichzeitig staatliche Gegenkreise Bauer erzählen, Eichmann sei in Kuwait gesichtet worden, was Bauer raffiniert als Ablenkungsmanöver von den eigenen Nachforschungen benutzt.

Die meisten Figuren im Film sind dem historischen Kontext entnommen, haben reale Vorbilder, sind gut besetzt und agieren glaubwürdig (gut, den zwiespältigen Deutschen mit dem Nazigen zu spielen und zu besetzen scheint hierzulande nach wie vor keine allzu schwierige Aufgabe zu sein).

Als Zusatzfigur hat Kraume den Nachwuchsstaatsanwalt Karl Angermann erfunden. Ihn braucht er, um einen wichtigen Mitspieler in den Intrigen zur Verhinderung von Bauer in den Stoff einzuspinnen, das Thema Homosexualität und die Erpessungsmöglichkeiten damit wegen dem damals noch gültigen Paragraphen 175; Bauer hatte bereits einen solchen Prozess in Dänemark erlebt. Der junge Staatsanwalt, der zu einer Vertrauensperson für Bauer wird, ist zwar verheiratet, aber sich seiner Gefühle nicht sicher, landet schließlich im Club Kokett und wird mit der Mannfrau Victoria intim.

Wie es so ist mit einer erfunden Geschichte, sie kann im Kino traumhaft werden und hier wird sie traumhaft, trägt andererseits aber fast noch mehr zu dem beinah hermetischen Eindruck der Geschichte bei, hermetisch vielleicht auch dadurch, weil allzu deutlich Wert gelegt wird auf historische Rekonstruktion an Ausstattung und Kostüm. So wirkt diese erfundene Geschichte als ob sie aus einem Film der 50Jahre stammt.

Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch bemerkenswerte Schauspielerleistungen: Burghart Klaußner, der die Figur Fritz Bauer bis in Details hinein studiert hat und ihm gegenüber der Schrank von wohlgebautem Mann, weich und wach zugleich, Ronald Zehrfeld als Staatsanwalt Angermann dazu Lilith Stangenberg als Zwitter Victoria.

Diese Protagonisten, die wunderbar harmonieren, stellen sich wie der restliche, sorgfältig ausgewählte Cast ganz in den Dienst der Sache, zeigen eine prima Sprech- und Sprachkultur gerne verbunden mit private Activity. So besehen ein bannendes Kammerspiel mit im deutschen Gegenwartskino raren Qualitäten.

Ein Nebensatz noch zum hermetischen Film, so viel Energie wie auf historische Rekonstruktion von Ausstattung und Kostüm verwendet wurde bis in die Spielweise hinein; wobei das auch humoristisch rüberkommen kann, wie die Anfahrt von Dr. Schneider im weißen Porsche oder eine Kurt-Schumacher-Anekdote, die Bauer zum Besten gibt. Ein Film, der gerade für die nachrückenden Generationen als Bestandtteil des Geschichtsunterrichtes sicherlich prima verwendbar ist mit hübschem Melodram-Einschlag.

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