Stella – Myn lilla Syster

Der schwedische Originaltitel dieses Filmes von Sanna Lenken, „meine kleine Schwester“ macht genauso wie die deutsche Variante „Stella“, das ist der Vorname dieser kleinen Schwester, bereits ein erzählerisches Grundproblem des Filmes klar: von wem wird hier erzählt, es geht doch um die Bulimie der älteren Schwester, die heißt Katja. Das wirkt wie ein Hirnsalto: Katja erzählt in diesem Film von ihrer kleinen Schwester, will damit aber ihr eigenes Problem, das der Magersüchtigkeit behandeln, pubertäre Magersüchtigkeit. Das soll aus der Sicht des Pummelchens Stella, einer bösartig-schönen Wonnepfropfen-Besetzung, behandelt werden.

Dass die Regisseurin dabei vor lauter Unklarheit des Erzählstandpunktes andauernd im Reminsizenzen versandet, mag ein Hinweis darauf sein, dass der Stoff autobiographisch unterfüttert ist, was für die Glaubwürdigkeit der Szenen von Vorteil ist, aber für die erzählerische Straffung des Stoffes hinderlich. Dazu kommt eine deutlich überstrapazierte Käfersymbolik, mit der fängt der Film an, ein Käfer wird von Stella liebevoll betrachtet, der über ihren linkshändigen Unterarm krabbelt. Das ist vielleicht sentimental, aber wen interessiert schon die Sentimentalität von irgendwem anderem?

Ein Thema, was in dieser Familie sicher ein bestimmendes Element ist, wird ausgeklammert oder nur naturalistisch eingeführt, das ist die Mutter (der Vater ist selbstverständlich auch vorhanden, womit die Familie aber ihr Geld verdient, das erfährt man nicht), die doch rein theoretisch eine sogenannte „Eismutter“ sein müsste; dann könnte man vielleicht die Essensverweigerung von Katja verstehen, die auf dem Weg zur erfolgreichen Nachwuchseiskunstläuferin ist, aber es bleibt unklar, ob von der Mutter gedrängt oder aus eigenem Willen; denn warum sollte sie diese Essensverweigerung haben, plötzlich das Essen mit dem Finger auf der Toilette wieder rauswürgen?

Dass das kleine Schwesterchen seine unrühmlichen Finger zur Beförderung des Dramas beiträgt, ist ein weiterer Strang der Geschichte, dass sie sich platonisch in den Eiskunstlehrer von Katja verliebt, ist noch einer; Themen und Szenen sind unökonomisch ausgewalzt, die auf Erlebnisse der Regisseurin schließen lassen; das Thema mit dem Schnurrbartwuchs, den Katja ihrer kleinen Schwester Stella einredet, wie sie sich versucht zu rasieren, wie sie blutet, wie sie unendlich lang diese Wunde mit dem Finger zu verdecken sucht: das sind mehr rührende Versuche und bleiben durchaus persönlich, bleiben aber im privatistischen stecken, schaffen es nicht, das Interesse des Zuschauers zu halten; lassen auf mangelnde Strukturierung des Stoffes im Vorfeld beim Buchschreiben durch die Regisseuring/Autorin schließen.

Was sich auf den Verkaufseffekt des Filmes negativ auswirken dürfte und schade ist; da die Konfliktsituationen des Aufwachsens ernst genommen werden. Aber sie müssen für den Zuschauer nachvollziehbar aufbereitet werden; es handelt sich vom Anspruch her weder um einen dokumentarischen Spielfilm noch um einen autobiographischen Film. Vielleicht war die Regisseurin zu sehr angefixt von ihrer kleinen Titelheldin.

Dass der Zugang sentimentalisch ist, belegt die kleine Szene fast am Ende, wie die beiden Schwestern nach dem Bulimiedrama von Katja sich wieder vertragen, die Köpfe inniglich zusammenstecken und die Technik unter dem Kinn von Stella ein helles Herzchen einblendet, uj!

Wenig förderdlich zum Filmgenuss ist auch die unemphatische, deutsche Nachsynchronisation. Vielleicht ist Bulimie ja auch nur das Ersatzthema für das Eismutterthema.

Es verwundert nicht, dass deutsches Fernsehen und deutsche Filmförderungen im Spiel sind.

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