Die Liebe seines Lebens – The Railway Man

Die Kraft einer Liebe zwischen zwei Menschen kann sich auch daran ermessen, welchen Schmerz zu lindern sie imstande ist.

In diesem Film von Jonathan Teplitzky nach dem Drehbuch von Frank Cotrell Boyce und Andy Paterson hilft die Liebe, einen der diffizilsten Gräben, der sich zwischen Menschen auftun kann, zu überbrücken: den zwischen Folterer und Gefoltertem.

Die Grundlage zum Drehbuch sind die autobiographischen Aufzeichnungen der Hauptfigur Eric Lomax. Der war Ingenieuer und ein Eisenbahnfan. Er ist mit seiner britischen Truppe im Zweiten Weltkrieg nach dem Fall von Singapur den Japanern in die Hände gefallen und wurde als Zwangsarbeiter zum Bau einer ambitionierten Eisenbahnlinie im mörderisch tropischen Dschungel von Thailand eingesetzt, der sogenannten „Todeseisenbahn“.

Weil Eric ein Eisenbahnfan ist, macht er sich aus purem Interesse eine Skizze des Verlaufes dieser Linie nach Burma. Dies, und dass er sich heimlich am Bau eines Kurzwellenempfängers beteiligt, wird ihm zum Verhängnis. Er wird der Spionage verdächtigt, isoliert und vom japanischen Dolmetscher Nagase grausam und brutalst gefoltert. Über die Torturen hat er, wie andere auch, nie gesprochen.

Die Erinnerung daran hat ihn immer wieder mit Alpträumen aufwachen lassen. Er hat aber den Krieg überlebt. Jahrzehnte später lernt er im Zug Patti kennen. Sein Faible für Züge und Fahrpläne bringt die beiden ins Gespräch – bald schon heiraten sie. In der Hochzeitsnacht erlebt sie ihn das erste Mal als von den Erinnerungen gemartert am Boden liegend.

Statt ihn zu schelten oder ihm Vorwürfe zu machen, interessiert sich Patti für die Hintergründe. Vorsichtig setzt sie einen Prozess der Annäherung an das Unausprechbare in Gang, der dazu führt, dass Eric den Täter Nagase, von dem er in Erfahrung bringen kann, dass er noch lebt und als Fremdenführer arbeitet, aufsucht und ihn zum Gespräch herausfordert. Eine extrem diffizile Situation, immer am Rande der nur schwer im Zaum zu haltenden Rachegefühle. Aber die Versöhnung gelingt.

Die Filmemacher verpacken diese vielleicht größte Herausforderung, vor der ein Mensch je stehen kann, und vor der er meistens kapituliert (siehe den Film Beyond Punishment) ganz weich in einen wunderschön inszenierten Film, weiche, erdige Farben, schwitzende gebräunte Gesichter, tropische Militärcamps, die bei aller Grausamkeit im Film eine morbid-poetische Schönheit entwickeln, wie die Männer zum Appell abzählen müssen und statt der Zahlen plötzlich mit den Kartenbegriffen Bube, König, Dame, Ass weitermachen, wie sie den Radioempfänger basteln, um Nachrichten von BBC zu hören, um zu erfahren, dass ihre Gegner auf dem Rückzug sind und die Alliierten auf dem Vormarsch, wie sie sich die News zustecken, die Käfighaltung von Gefangenen im Freien in Käfigen aus Bambusrohren, wo sie nicht mal aufrecht sitzen können, Folter mit Wasserschlauch in den Mund, die brutalen Bauarbeiten an der Strecke.

Die Versöhnung, ein großer Akt, die braucht diesen Vorlauf, die braucht die Distanz zu den Vorgängen, braucht die Liebe Jahrzehnte später im grauen England.

Nicole Kidman spielt Patti, die Frau mit diesem weiten Herzen und dem duldsamen Verständnis. Colin Firth spielt den alten Lomax, der seelisch angeschlagen ist, der sich in seinem Veteranenclub tummelt, der miterleben muss, wie sein bester Freund aus dieser Zeit sich an einer Bahnbrücke erhängt. Wie denn die Brücken in diesem Film somit zum zweideutigen Symbol werden.

Jeremy Irvine spielt den jungen Eric Lomax, den Soldaten in den Tropen. Es ist eine geniale Regie- und Schauspielerleistung, die hier zu besichtigen ist, dass man sich gelegentlich fragt, ob Colin Firth mit Maske und Bewegungsablauf auf so viel Jahre jünger präpariert worden ist, nein, das ist er nicht. Wer hier wen mehr befruchtet hat, das ist nicht mehr zu unterscheiden, der Junge den Alten oder umgekehrt. Er scheint eine einheitliche Figur, was in Filmen mit Figuren, die in verschiedenen Lebensaltern auftauchen, kaum je so überzeugend gelungen ist.

Am Schluss, wenn die Originalfotos von Eric und Patti Lomax im hohen Alter eingeblendet werden (beide sind inzwischen gestorben), wird deutlich, wie herausgearbeitet Filmcharaktere im Hinblick auf die Konzentration der Erzählung doch sind.

In sanfter Erzählung wird der Boden für diesen delikaten Akt der Wiederbegegnung bereitet. Das ist wie im Ballettunterricht: 40 oder 50 Minuten werden die Muskeln aufgewärmt, damit sie dann ein paar gewagte Sprünge bewältigen können. Warmup für einen Gewaltsakt, der höchste Anspannung verlangt.

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