Einen so massierten Einblick in ein Stück Deutsche Kinogeschichte dürfte es im Kino noch selten gegeben haben.
Allerdings: der Zuschauer wird pausenlos zugextet mit Begriffen, Kategorien und Kontexten, dass er gar nicht dazu kommt, selber nachzudenken.
Deutsche Filmgeschichte von ca. 1920 bis ca. 1930 durch den Fleischwolf gedreht und an feuilletonistischer Sauce serviert. Das sind fast zwei Stunden ohne Pause Überschüttung des Zuschauers mit hervorragend retaurierten Filmschnipseln der Epoche, mit dokumentarischem Material aus der Zeit und einigen Einsprengseln, Interviews mit Filmemachern wie Volker Schlöndorff, Fatih Akin und mit Wissenschaftlern und Journalisten wie Thomas Elsaesser, Elisabeth Bronfen und Eric D. Weitz orientiert am Buch des berühmten Filmkritikers Kracauer, der dem Kino eine tiefere, psychologische Deutung zusprach. Aus heutiger Sicht wirkt es allerdings so, als sei es keine besondere Kunst, das Heraufziehen des Dritten Reiches in Filmen aus der vorausgehenden Zeit zu sehen.
Rüdiger Suchsland hat tief in den Filmen der Weimarer Republik gewühlt und schafft es, mit den Filmausschnitten klar zu machen, welch schöpferischer Reichtum und welche Fantasie da am Werk gewesen sind, welch Talent, wie mit Film sowohl spielerisch als auch realistisch, surrealistisch oder expressiv, utopistisch oder sozialkritisch umgegangen worden ist; eine Filmkultur von einem Reichtum und einer Vielfalt, bei dem man sich fragt, wo ist das alles hin, wieso wirkt unsere heutige, hochsubventionierte Filmkultur wie eine arme Kirchenmaus dagegen. Das sind aber nicht die Fragen, denen der Filmemacher nachgeht.
Suchsland stellt in periodischen Abständen immer wieder die Frage, „Was weiß das Kino, was wir nicht wissen?“. Diese Frage verleitet mich allerdings nicht zu weiterführenden Gedanken oder Überlegungen. Auch aus dem Grund, weil Suchsland in seinem von Katja Dringenberg hervorragend geschnittenen Bilderfluss keinerlei Verdauungsphasen eingebaut hat; schier ohne Atem zu holen plaudert er selbst, muss noch jedes Bild, jede Szene kommentieren, einen kategorisierenden oder differenzierenden Begriffsschleier drüber legen, was ihm selbst zwar Gebildetheit attestieren mag, aber die Rezeption der Bilder nicht unbedingt erleichtert, noch weniger die Herstellung eines Gesamtbildes, eines Gesamtzusammenhanges oder gar des Herauskristallisierens einer These zum Kino aus heutiger Sicht anhand des alten Materials; da scheint er selbst an der Überfülle des Materials und dessen Vielfältigkeit vor lauter Bäumen den Wald oder vor lauter Filmschnipseln und kommentierenden Drüberstreutexten gelegentlich die Thesen Kracauers nicht mehr zu sehen.
Das Plus dieses Filmes ist sicher dies: er gibt durch die Originalausschnitte aus filmgeschichtlichen Musts und unbekannten Raritäten einen Einblick in eine kinematographisch höchst aufregende Zeit und es juckt einen gewaltig nach dem Film, die Filme ganz und ohne Kommentar, womöglich sogar ohne Musik zu sehen und sich ihrer Wirkung zu stellen. Kommentierter Musterkatalog (mit Wahrheitsanspruch?) zu einer Filmepoche, der sich mit dem Namen Kracauer einen filmkritischen Anstrich verleiht.