Hedi Schneider steckt fest

Wer hat das jetzt wieder zu verantworten? Dass einmal mehr Zwangsgebührengelder (arte und ZDF Kleines Fernsehspiel), jede Menge Filmfördergelder, viel Humankapital und Künstlerpotential, Zeit und Energie für einen Film aufgewendet worden ist, der im Kino kaum Papp machen wird, der irgendwann im Spätprogramm des Fernsehens versendet wird und der allenfalls auf einige Festivalteilnahmen unter „ferner liefen“ kommen dürfte, über den sich niemand groß unterhalten, der keine Diskussionen auslösen, noch von der Kritik wirklich beachtet wird.

Ein Produkt und Aufwand für nichts und wieder nichts. Heiß gekocht und kalt gegesssen schmeckt dieser Film von Sonja Heiss nicht besonders. Das alte Lied: ein Themenfilm. Wobei das Thema schwammig bleibt. Mit einem narrativen Faden, der so brüchig gesponnen ist, dass er nicht die leiseste Spannung erzeugen kann, so dass einem die gut 90 Minuten wie eine Ewigkeit vorkommen.

Was die Regisseurin, die auch das Drehbuch geschrieben hat, einzig zu interessieren scheint, das ist die improvisatorische Arbeit mit den Schauspielern. Der Film wird somit zu einer Aneinanderreihung improvisierter Szenen von Schauspielern in durchgehenden Rollen. Familie spielen. Eine Frau spielen, Laura Tonke als Hedi Schneider, die unter einem Realitätsverlust leidet und diesen medikamentös behandelt und die sich am Ende des Filmes eine Minute Glück mit ihrem Mann, Hans Löw als Uli, in einem Waldstück an einem finnischen See wünscht. Das wird dann auch noch dargestellt; das ist nicht ohne Reiz, eine Arte Schweigeminute im Kino zum Schluss.

Aber es kommt überraschend, denn richtig unglücklich schien das Paar nicht. Das hat diese Schwierigkeit mit Hedi. Sie ist mit Alltagsproblemen absorbiert. Den Alltag glaubwürdig zu schildern, das versucht der Film merklich. Schon von Beginn an, mindestens von der zweiten Szene an, nachdem Heidi ellenlang durch eine nicht näher identifizierbare deutsche Großstadt mit nicht näher identifizierbarer Haltung geradelt ist und in einem Hochhaus in einen Lift steigt, in dem sie dann stecken bleibt, real, als fettes, fingerzeigdickes Symbol für ihre Lebenssituation.

Das ist wie ins kalte Wasser gesprungen. Auch schauspielerisch. Das wirkt wie eine Übung. Wie aus einem Workshop. So geht es einen langen Film lang weiter. Es gibt Szenen mit ihrem Nachbarn im Büro, Herrn Schild. Sie benutzt seine Kaffeetasse. Daraufhin stellt er sich, das erfahren wir aus Erzählungen, eine Stunde aufs Fensterbrett und droht sich zu suizidieren.

Ihr Mann Uli, der fabelhafte Hans Löw, arbeitet als Berater von Schwerhörigen und gestikuliert glaubwürdig in Gebärdensprache. Später wird er mit einer Frau, der er hilft, eine Affäre haben.

Einmal gibt es eine Auseinandersetzung zwischen Hedi und ihrer recht klotzigen Mutter (ein Hinweis auf den Charakter von Hedi?). Es gibt Gespräche mit dem Psychologen. Es gibt ein Anti-Angsttraining im Sperrengeschoß einer U-Bahn, dabei Mehrfachverwendung von Komparsen. Es gibt eine Szene mit einem Bratkartoffelsong.

Hedi nimmt viel zu viele Medikamente. Hedi geht in eine Tierhandlung und kauft einen Hasen. Uli soll wegen dem Job nach Norwegen umziehen, weil das ein Koproduktionsland ist.

Ach, das ist alles so hirnig, so kopfig, so wenig kinowirksam. Haben denn Christian Cloos /ZDF- Das kleine Fernsehspiel), Doris Hepp (ZDF/ARTe) und Georg Steinert (arte) das Drehbuch überhaupt nicht gelesen? Dito die verschiedenen Förderer? Oder wären sie wenigstens in der Lage, uns, den Zwangsgebührenzahlern, zu schildern, was daran so förderungswürdig schien, und wieso das Endprodukt so wenig funktioniert?

Schön ist die Frage des Buben, „wann sterbt ihr eigentlich?“.

Ich frage mich, warum mich der Film Still Alice so fasziniert hat. Vielleicht weil hier konsequent und absehbar ein Krankheitsverlauf geschildert wird. Während bei Hedi Heiss die Krankheit weitgehend dubios bleibt. Auch weiß man bei Hedi nicht so recht, ob sie möglicherweise einen Schaden hat, zumindest was die Auswahl ihrer Kleidung betrifft, immer so was von geschmäcklerisch daneben, aber dieser Charakterzug wird dann doch nicht in die Rolle eingearbeitet, manchmal erscheint sie ein bisschen wie eine Trutsche, ein Dummchen.

Dann wirkt der Film wieder wie ein Produkt aus einer geschützten Werkstätte – und die geben sich alle so Mühe. Nur ist das Produkt nicht markttauglich.

Frage: wie kann man ein Feststecken kinematographisch spannend gestalten, die Frage hat sich Sonja Heiss nicht gestellt.

Zuschauerwohlwollen vermag der Film am ehesten durch den hingebungsvollen Einsatz der Darsteller zu generieren, sie sind voll bei der Sache, geben ihr Bestes, versuchen zu verstehen zu geben, dass sie vom Projekt überzeugt sind. Der Film mag aber nicht zu faszinieren durch allfällige Konflikte, die die Figuren bewegen. Die Frage ist immer: wie lösen sie die Aufgabe, diese und jene Szene zu spielen und nicht, wie reagiert eine so und so charakterisierte Figur auf eine neue Situation, die Konflikte in ihr auslöst; also das, was dramatische Spannung erzeugt, mittels welcher der Film eine Position, ein Message verbreiten kann.

2 Gedanken zu „Hedi Schneider steckt fest“

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