The Voices

Schon in der Kurzzeiterinnerung an diesen Film bleiben die titelgebenden Stimmen erstaunlich stumm. Spricht vielleicht für den Film (und gegen die deutsche Synchronisation; wobei hier offenbar für jedes Tier, das mit Jerry spricht, ein anderer Sprecher genommen worden ist, während laut IMDb Ryan Reynolds, der den Part spielt, im Original auch die Tierstimmen übernimmt, die er zu hören glaubt – sinnigerweise); denn die Stimmen, die unser Protagonist, Fabrikarbeiter und Massenmörder Jerry hört, das sind eingebildete Stimmen, die von seinem Hund, von seiner Katze oder von anderen Tieren. Und: er sollte sie gar nicht hören, denn sie raten ihm nicht gut.

Es ist ein innerer Monolog, der in diesem Film von Marjane Satrapi („Persepolis“ und Huhn mit Pflaumen) nach einem Drehbuch von Michael R. Perry vor allem in den Babelsberger Filmstudios mit viel deutschem Geld und wenig künstlerischem Input aus Deutschland gedreht worden ist.

Jerry ist ein traumatisierter Mensch, er muss als Bub bereits seine Mutter getötet haben, wobei der Erinnerungsclip im Film diesen Mord als von der Mutter gewünscht darstellt. So etwas hängt nach, verlangt nach regelmäßiger, psychologischer Beratung und Medikamentenverschreibung.

Jerry hat keine Lust auf die Medikamente, nimmt sie nicht mehr und verschweigt dies seiner Ärztin. Im Betrieb gilt er als zuverlässig und beliebt. Er ist scharf auf die Sekretärinnen, zuerst auf Fiona, mit der er die schönste Nacht verbringt, wo er das Gefühl hat, er kann die Wand seiner Einsamkeit durchbrechen. Dann bringt er sie doch um. Das kann hier ruhig verraten werden, denn der Film ist nicht im Sinne einer Spannungsdramaturgie, die sich an den inneren Konflikten der Hauptfigur hochschraubt, gebaut, sondern mehr, wie Marjane Satrapi schon ihre früheren Filme gemacht hat, im Sinne einer kommentarlosen, protokollarischen Aneinanderreihung der für die Geschichte wichtigen Szenen nach dem Ablauf der Chronologie.

Bilderkunst begriffen so wie sie schon handgemalt in den persischen Schriften vorkommt. Die man also besser als Connoisseur genießen sollte; sonst kann man relativ unbeschenkt aus diesem Film wieder hinausgehen. Im Moment, wo ich mich für diese Betrachtungsweise entschieden habe, ist der Ton in der Erinnerung auch definitiv und vollkommen überflüssig geworden.

Babelsberg wird in diesem Film zum amerikanischen Milton. In der Fabrik werden Toiletten und Badewannen hergestellt. Die Farbe der Corporate Identity ist pink und so sind auch die kleinen Gabelstapler angemalt, die im Hof ihre Runden drehen.

Jerry arrangiert am Firmenfest eine Polonaise durch die Flure des Gebäudes. Die wärmt ihn vor für das erste Tète-à-Tète mit Fiona. Continuity erreicht die Filmemacherin einmal indem sie vom Fabrikpink auf das Pink des Fingernagellackes von Fiona schneidet. Man kann das gouttieren oder interpretieren oder nicht.

Das Spiel der Darsteller wirkt wie ein Spiel ohne Reserve, ohne zweite Dimension, wie für die Oberfläche eines Zeichenblattes ausgelegt. Zur Illustration von Liebeshoffnungen lässt die Regisseurin ein paar Schmetterlinge um das Subjekt der Emotion zeichnen.

Im TV schaut der einsame Jerry einmal mit seinen zwei sprechenden Haustieren eine Sendung mit lauter rammelnden Tieren. Die Krankheit von Jerry scheint genetisch bedingt; bereits seine Mutter hatte Stimmen gehört. Oder, lustig, man kann es so finden oder nicht, in seinem Loft hat Jerry eine Musikbox mit musizierenden und hupfenden Stoffaffen.

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