Eintauchen mit Mia Hansen-Love, die mit ihrem Bruder Sven auch das Drehbuch geschrieben hat, in die Welt der Jugend, der Jugendlichkeit, der Discos und der DJs in Paris über einen Zeitraum von über 20 Jahren.
Der Bruder der Regisseurin hat mit dem Aufschreiben seines Lebens den Grundstoff für diesen Film geliefert, der durch den biographischen Einschluss in der fiktionalen Geschichte von Paul Vallée eine hohe Glaubwürdigkeit erzielt. Diese wird noch untermauert durch den stimmigen Einsatz der verschiedenen Disco-Richtungen, Disco Moderne, Techno, Garage, Elektro.
Es gibt viele Discoszenen in diesem Film, die beinah dokumentarisch aufgenommen worden sind mit einer geschmeidigen Kamera, die sich ihr Objekt nicht nach Gesichtspunkten der Helligkeit und der Erkennbarkeit aussucht, sondern nach der Gewichtung für die Geschichte, nach dem Atmosphärischen, was Discokultur ausmacht. Das ist nun mal schummrig und laut, sehr, sehr laut.
Disco ist das Lebenselixier des DJ. Paul, prima besetzt mit Félix de Givry, der die Alterung über zwei Jahrzehnte ausgezeichnet stemmt. Denn das Alter hinterlässt seine Spuren, nicht nur äußerlich. Dem jugendlichen Idealismus geht es irgenwann an die Nieren; nach und nach verabschieden sich Leute aus der Szene, verheiraten sich, einer wirft sich vor die Metro.
So wie Paul sein Metier betreibt, ist es kein Geschäft. Er schafft es nicht, eine Familie zu gründen. Er muss immer wieder die Mutter, auch lange nach der Teeniezeit, um Geld anpumpen; vor allem muss er erkennen, dass seine DJ-Philosophie von den nachrückenden Generationen als vorsintflutlich angesehen wird. Eines Sylvesters stehen die Leute plötzlich dort Schlange, wo Samba geboten wird.
Aber es ist auch schwierig, ein bürgerliches Leben zu führen, noch dazu wenn einer gerne trinkt und noch mehr kokst oder früher Ecstasy. Irgendwann stellt sich die Frage und wird sie auch von der Umgebung, von der Mutter gestellt, ob das denn so weitergehen kann, wie es mit einem regelmäßigen Gelderwerb denn aussieht? Call-Center-Agent kann doch nicht die Antwort sein.
Mia Hansen-Love erzählt diese Geschichte in schön gleichmäßigem Fluss, mit großer Nähe zur Figur, zu den Beziehungen, die alle nicht die große Liebe sind, die er pflegt. Sie erzählt die Geschichte mit großer Natürlichkeit. Wobei sie vielleicht zu sehr voraussetzt, dass ein Außenstehender sich selbstverständlich für dieses Schicksal zu interessieren habe. Ein bisschen verliert sie sich im Atmosphärischen, das sie glaubwürdig trifft.
Der Außenstehende, der nicht von Natur aus Disco-Fan ist, wünschte sich mehr dramaturgische Strukturierung; das heißt nicht, dass sie eine andere Geschichte erzählen soll; aber dieses sehr Private, diese Nähe zur privaten Vorlage hat sie möglicherweise vergessen lassen, dass wer nicht unbedingt ein Disco-Freak ist und wer die Leute nicht kennt, schon gerne einen Grund hätte, warum er sich für das Schicksal intersessieren soll. Ein kleiner Rahmen dafür hätte die Geschichte spannender zusammenzurren können. Einen Einblick in das Innenleben des Jungen, was wirklich sein Ziel ist, oder wie unpräzise dieses Ziel war, wie idealistisch-blind; um den Prozess der Erosion des Idealismus wacher verfolgen zu können. Einfach, um den Film aus der unverbindlichen Ecke des privaten Home-Movies rauszuholen.