Elser – Er hätte die Welt verändert

Was stellt dieser Film, dieses in Rückblenden fragmentierte Biopic über den Hitlerattentäter Georg Elser nach einem Drehbuch von Léonie-Claire Breinersdorfer und Fred Breinersdorfer in der Regie von Oliver Hirschbiegel mit mir an?

Merkwürdigerweise eine Sache nicht. Das Thema Tyrannenmord, um das es doch Elser bei seinem Attentatsversuch auf Hitler im November 1939 im Münchner Löwenbräukeller gegangen ist, beschäftigt mich überhaupt nicht. Und den Film auch nicht.

Dieser Film scheint mehr fürs schwere, deutsche Sentiment denn fürs lichte Argument geschaffen. Hier wird geliebt, gelitten, gefoltert, eine Bombe mit Zeitzünder gelegt, verhört, verhaftet, getötet und Menschlichkeit demonstriert im barabarischen System.

Der Film klammert das essentielle Thema der Legitimation eines Tyrannenmordes radikal aus. Er möchte, so scheint es, vielmehr – aus schlechtem Gewissen der Geschichte gegenüber? – Mitgefühl und Sympathie für den Attentäter, den Einzeltäter, den Bürger, der etwas unternimmt, wecken. Das gelingt dem Film auch wunderbar, denn Christian Friedel, der ihn spielt, hat Empathiequalität. Aber was macht der Film mit ihm?

Von Oliver Hirschbiegel war zuletzt zu sehen Diana. Hier wurde ein exklusiver Klatschspalteneinblick in das Leben dieses royalen Weltstars geboten. Das floppte. Bei Hitler „Der Untergang“ war es wohl nicht anders; aber der Film war ein großer Erfolg.

Bei Elser wirkt es, als sollen Details, teils erfundene, teils dokumentierte, aus seinem Leben auf die Leinwand gebracht werden. Seine zerrütteten Liebesverhältnisse zu verheirateten Frauen, dass er eine Frau mit Kind verlassen hat, dass er musikalisch war; auch das wird kitschhaft schön gerundet, wie er im Gefängnis Zither spielt und offenbar einen Bewacher im KZ für die Kunst begeistern kann. Die Szene mit Michael Kranz hat Hirschbiegel zu einer barocken Verklärungsszene erhöht. Ein schönes Beispiel, dass der Film ans Gefühl appellieren will und nicht ans Hirn.

Der Film will keine demokratischen Grundsätze, will nicht die Denkwelt von Elser diskutieren oder zur Diskussion stellen. Sonst könnte er wie ein klassisches Drama mit einem Argumentensatz anfangen, „Der Tyrann muss weg“. Das interessiert Breinsdorfer/Hirschbiegel nicht. Die illustrieren lieber detailverliebt das Montieren der Bombe mit dem Zeitzünder in einer Säulenverschalung hinter dem Rednerpodest, auf dem Hitler auftreten wird. Und viele weitere, unpolitische Einzelheiten zur Vorbereitung des Explosionsvorganges, die in sich dann doch wieder nicht bis zur Schlüssigkeit genau gezeigt werden.

Oder die Begründung, wie Elser an den Sprengstoff kommen konnte. In seinem Heimatort in Schwaben, in Königsbronn, wird an einem Hang gesprengt. Hier beweist der Film Sorgfalt im Hinblick auf Plausibilität. Nur um das Entscheidende, die Frage der Legitimität des Tyrannenmordes, macht er einen weiten Bogen. Als dürfte das in Deutschland von 2015 nicht laut und öffentlich verhandelt werden. Und dass nicht alle Nazis ganz böse waren, zeigen die Figuren von Eberle und Nebe. Wobei Burghardt Klaußner dadurch, dass er als Verhörer keine Hintermänner des Anschlages ausmachen kann und Verständnis für Elser zeigt, noch eine saumäßig schwierige Szene zu spielen hat, nämlich Tod durch Erhängen an einer Drahtschlinge. Das wirkt gruselig, denn ständig stellt sich einem die Frage, wie oft wird der Darsteller noch zappeln bis zum Exitus?

Generell inszeniert Hirschbiegel pointiert, er weiß, was ihn an einer Szene interessiert, er liebt harte Schnitte und Akzente, wirkt dadurch eher wie ein Mann fürs Grobe, was einen merkwürdigen Kontrast zur Sentimentsabsicht des Filmes bildet.

Von der ausgelutschten Nazi-Erinnerungs-Industrie-Bildsprache versucht er sich durch leichtes Übertreiben der Farbfiltrierung in Braun und Grau abzuheben. Das kommt extrem zur Geltung bei der Rede Hitlers im Löwenbräukeller; die Szene wirkt wie eine Stilisierung im Sinne der Nazizeit.

Die Land- und Ortschaften strahlen die Computerkorrekturen aus, die aus heutigen Gebäuden 30er-Jahre-Touch herbeizaubern, wie ein befremdendes Kunstmittel. Viel kolorierte Nacherfindung von Nazidorfleben inklusive öffentlicher Bloßstellung einer Frau, die ein Verhältnis zu einem Juden hatte; plakativ gestaltet. Und Folterszenen von Elser unter Anwendung von Pervitin.

Dass so ein Thema wieder nicht als eine spannende Geschichte und argumentative Auseinandersetzung gebracht wird, ist einmal mehr auch den Förderen anzukreiden. Elsers Rehabilitierung gerät schleimig, denn sie setzt keine Argumente im Kopf des Zuschauer in Gang, räuchert das Denken mit schöner, historisierender Ablenkung ein. Das ist nicht im Sinne des Grundauftrages der öffentlich-rechtlichen Sender, das ist gehobener Kitsch, dafür gebührt den beteiligten Sendern die rote Karte:
SWR (Manfred Hattendorf, Michael Schmidt)
ARD Degeto (Christine Strobl)
BR (Claudia Simionescu)
WDR (Götz Bolten)
ARTE (Andreas Schreitmüller)
und den versammelten, deutschen Filmförderanstalten eine Rüge:
FFF FilmFernsehFonds Bayern
MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg
Medienboard Berlin-Brandenburg
DFFF Deutscher Filmförderfonds
FFA Filmförderanstalt.

Man vergleiche dagegen die argumentative Drehbucharbeit bei Selma oder bei Das Mädchen Hirut; wobei es bei diesen Filmen allerdings um die Durchsetzung gültigen Rechtes geht, während Elser gültiges Recht mit der Absicht des Tyrannenmords konterkariert.

Ein Film für die Kategorie des gehobenen Heimatfilms; denn diese Heimat hat eine Geschichte und darin kommt Gutes vor und das Braun darin, das ist erkennbar chromatographisch hervorgehoben – und somit mit Photoshop leicht wieder behebbar.

4 Gedanken zu „Elser – Er hätte die Welt verändert“

  1. Nee, Frank, es geht hier um elementares, politisches Denken, und das klammert der Film total, fast schon zu sagen: in totalistischer Manier aus. Dass ein anderer Film das womöglich schon vorexerziert hat, nur schlechter, also das ist doch nun grad gar keine Entschuldigung. Ihr Einwand wäre insofern folgender: dieser Eleser-Film klammert das politische Denken besser aus als es der Brandauer-Film getan hat. Wollten Sie das wirklich sagen?

  2. Ich wollte lediglich der stillen Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die neue Verfilmung in irgendeiner Hinsicht, mehr zu bieten hätte als die alte. Nicht mehr, nicht weniger.

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