Das ewige Leben

1 Polizeichef mit 1 Leiche aus Jugendzeiten im Keller und 2 beste Freunde dazu, mit ebenderselben Leiche aus ebenderselben Jugendzeit im Keller, alle 3 ausgerüstet mit je 1 Walther-Pistole mit Schalldämpfer, wie nur die Polizei sie verwenden darf und 1 Nora von Waldstätten, die sich immer mehr zur geheimnisvollen Sphinx stilisiert, dazu 1 Nachabar, der im richtigen Moment die Stromversorgung kappt sowie 1 junger Polizist, der noch an seriöse Polizeiarbeit glaubt, das sind die wesentlichen Ingredienzien für einen Brenner-Krimi von Wolf Haas, der mit Josef Hader und Wolfgang Murnberger auch das Drehbuch verfasst hat.

Wolfgang Murnberger hat, sorgfältiger als bei seinen letzten BR-TV-Routinearbeiten (Die Spätzünder, Wer hat Angst vorm Weißen Mann, Alles Schwindel) die Regie geführt.

Die Krimistruktur ist üblich und funktionabel, wirkt nur dröge, wenn sie momentweise ohne Fleisch zu Tage tritt, die Leiche von früher, die heute nicht an den Tag kommen soll, die Leichen von heute, die dazu notwendig werden.

Sinn der Veranstaltung ist allerdings nicht, über Polizeiarbeit in Österreich, speziell in Graz und Kärnten aufzuklären oder den Zuschauer über das irregulär-ungesetzliche Zustandekommen von manchen Leichen zu informieren; Ziel scheint eher, diesem Landflecken in Österreich und somit in Europa eine pikant würzige Farbe zu verleihen, ein Statement abzugeben über Lebensart und Haltung zur Zeit und zur Gesellschaft.

Da haben’s die Figuren Brenner (Josef Hader), Aschenbrenner (Tobias Moretti, gerne als „Brigadier“ angesprochen, die Endung nicht französisch ohne „r“, sondern mit) und Köck (Roland Düringer, der hier in Antiquitäten macht) in sich und ihre Ausdrucksweise in diesem gewissen Österreicherisch hat’s an sich. Mit jedem Satz wird die Welt als Katastrophe ausgemacht, da ist nichts nett, da passt sich keiner an, da lässt sich keiner was gefallen, da reagiert keiner mechanisch, vorhersehbar. Jeder Satz behauptet (in den starken Momenten des Stückes) Individualität, Demokratie, Widerstand, Verweigerung.

Eine faszinierende Seins-Haltung, die nicht in eine Schublade passt, es sei denn, man erschafft eine dafür: Haas-Welt, Hader-Welt. Eine Welt, die einem keine schönen Augen, macht, die keinem nach dem Mund redet, antifaschistisch genauso wie antiroyalistisch, eine Welt voller Missmut. Dazu kommt Krankheit, eine kaputte Welt. Diese gestandenen Männer müssen ständig Pillen schlucken (und wegen der darauf folgenden Schmerzen, schlagen sie die Köpfe heftig gegen Wände oder Spinde). Und selbst wenn sie sich ins Gehirn scheißen, so treffen sie nicht vollständig und können der Welt weiterhin ihre Befindlichkeit mitteilen.

Die unangenehme Angelegenheit mit der alten Leiche und den darauf folgenden neuen Leichen kommt ins Rollen, weil Brenner vollkommen abgerissen ist, fertig. Auf dem Arbeitsamt heißt es „Sie sind a U-Boot, da müssen wir Mindestsicherung beantragen“. In dieser Aussichtslosigkeit besinnt sich Brenner, dass er in Graz ein Häuschen besitzt. Das ist in einem Zustand nicht weniger fertig als er und der Nachbar hat Mühe den früheren Nachbarn überhaupt wiederzuerkennen. Der Zahn der Zeit.

In der Not sucht mann seine früheren Freunde, was immer auch sie heute noch verbinden mag. Köck hockt in seinem Antiquitätenladen und kann auch nicht helfen. So bleibt Aschenbrenner. Der ist im Polizeidienst.

Murnberger bringt diese Figuren mit ihren unwegsamen Alpenländer-Gesichtern wunderbar zur Geltung, gönnt ihnen viel inneren Monolog, wobei der geäußerte Monolog diesem in nichts nachsteht. Moretti spielt als Polizeimann eine gesellschaftlich integrierte Figur, äußerlich angepasst, wenn auch mit einem etwas zu schnittigen, schwarzen Sportwagen, das Äußere ist bei ihm nur die Kehrseite der Negativmedaille, die Brenner so geradeheraus darstellt. Die wirkt sich bei Aschenbrenner als eine Selbstverständlichkeit im Einsatz von Korruption aus, wie sie ihresgleichen sucht und vermutlich nicht gerade untypisch für österreichische Strahlemänner sein dürfte – Moretti spielt das großartig ernsthaft; die Kamera von Peter von Haller fängt das unverbogen ein.

Die Trotzkultur österreichischer Selbstbehauptung. Erst behauptet Brenner, das System sei am Ende. Zum Beweis seiner Theorie fertigt er für sein Motorrad eigens ein Nummernschild aus Pappe, wenn doch das System eh am Ende ist. Der Kapitalismus ist am Ende; was will man sich da noch Ziele setzen, erst recht, wenn retrograde Amnesie diagnostiziert wird wie bei Brenner; immerhin, daran erinnert er sich „I war mal bei der Polizei, wenn i mi umbring, dann haut das hin“.

Ungewöhnliches Requisit: die Brille von Köck: zum Abnehmen der Brille, trennt sie sich in zwei Teile, rechtes Glas nach rechts, linkes Glas nach links, am Hals mit einer Schnur verbunden. So muss man mal auf die Welt schauen. Und bedenken, was auf diese Art mit einer Weltsicht passieren kann. Und doch Amnesie: „Jugoslawien gibt’s nimmer, des ist zerfallen, Herr Brenner!“.

2 Gedanken zu „Das ewige Leben“

  1. das war definitiv ein Verschreib, ein Verschrieb…
    aber, lassen wir das mal so stehen,
    danke für den Hinweis Meikel!

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