A most violent Year

Eigentlich sollte es nur um eine geschäftliche Vergrößerung gehen. Daraus ist ein höchst „heftiges“ Jahr geworden.

Mit einem Kino der Verhaltenheit und der Unaufdringlichkeit erzählt uns J. C. Chandor in bester amerikanischer Ostküstenmanier die Geschichte des anständigen Ölhändlers Abel Morales. Um den Erwerb eines Geländes mit Öltanks im Sinne der Expansion seines Unternehmens „Standard Heating Oil“ zu finanzieren, gerät er in einen Schuldenstrudel. Er muss innert 30 Tagen nach der Anzahlung von 100’000 Dollar noch eineinhalb Millionen auftreiben. Falls nicht, erhält er das Gelände nicht und die Anzahlung verbleibt beim Verkäufer, einer Gruppe erzkonservativer Juden mit langen Bärten.

Erschwerend kommt 1981 hinzu, dass in dieser Zeit Ölmangel herrschte. Der Ölhandel ist in New York auf mehrere Distributeure aufgeteilt. Ständig werden Tanklastwagen geklaut.

Weiter erschwerend kommt für den untadeligen Morales hinzu, dass der Staatsanwalt eine Anklage gegen ihn vorbereitet. Wobei Morales sich sicher ist, sich nichts vorzuwerfen zu haben, denn er hat sich an die Usancen der Branche gehalten. Leider sind die alles andere als gesetzeskonform.

J.C. Chandor, der schon mit All is lost und Der große Crash – Margin Call beeindruckte, hat seine Story sorgfältig zusammengebaut. Oberste Maxime scheint ihm die Glaubwürdigkeit zu sein.

So inszeniert er auch die Schauspieler. Die hören erst zu, bevor sie etwas sagen, die denken erst, bevor sie handeln. Und was sie sagen, bringt die Handlung vorwärts. Dadurch gewinnen die Figuren glaubwürdige Präsenz, faszinieren.

Oscar Isaac als Abel Morales, ein Mann mit Benimm und Pli, mit einer aufrichtigen Attitüde, stolzer Familienvater dazu und mit einer Frau beglückt, um die man ihn beneidet, Jessica Chastain als Anna Morales, die nicht nur fantastisch aussieht und spielt, die auch einiges drauf hat, was die Buchhaltung betrifft. Albert Brooks ist Andrew Walsh, sein Geschäftspartner. Morales braucht seine zwei Sidekicks. Er selbst ist nicht nur gutaussehend, er ist auch der charismatische Repräsentant und Boss seiner Firma und ohne den häufig bei amerikanischen Schauspielern zu beobachtenden Körperkult. Er kann einfach auch nur dastehen in seinem feinen Wollmantel (sieht nach Brioni aus wie einsten bei Kanzler Schröder) und sieht darin leinwandfüllend unverschämt gut aus. Und wenn ihm alle Felle davonschwimmen, so bleibt er erst mal cool, innerlich cool, nicht so eine gespielte Coolness.

Diese kleine Gruppe von Menschen muss nun zurecht kommen mit den widrigen Umständen, mit dem Staatsanwalt, der die Bedürfnisse der Menschen und die gelegentlichen Widersprüche zu den Gesetzen durchaus kennt, mit anderen potentiellen Darlehensgebern, mit dem Konkurrenten Peter, aber auch mit der Mutter des Fahrers Julian, der bei seinem zweiten Überfall die Nerven verloren hat.

Bildtechnisch schafft Chandor in jeder Situation eine betörende Atmosphäre, er sieht immer das Fotogene. Mal sieht man den kalten Atem, mal eine schöne Skyline von New York, mal rennt Abel nachts barfuß im Pyjama durch den Schnee einem Typen nach, der um sein schickes Haus herumschleicht.

Die musikalische Untermalung hält sich diskret zurück, sie gibt als Hilfsakkord der Stimmung die nötige Vibration, macht sich selbst nie wichtig, wie sich hier sowieso keiner wichtig macht, wie die Sache, die Geschichte das Größte scheint für alle Beteiligten, was sie so zur großen Kinogeschichte macht.

Chandor schaut ganz genau hin, geht bedächtig vor, lässt den Zuschauer in die Stimmung hineinkommen. Erst joggt Abel ganz lange durch New York.

Thrilling: 1981 gab es noch kein GPS für LKWs.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert