Gedacht ist dieser Film von Benoît Jacquot, der mit Julen Boivent auch das Drehbuch geschrieben hat, dahingehend, dass zwischen zwei Schwestern und einem Mann sich ein wahrhaft archaisches Drama entwickelt, es geht um die Schwester zweiter Wahl.
Ein Mann zwischen zwei Schwestern. Das Unglück oder die Autoren wollen es, dass der Mann, es ist Benoît Poelvoorde als Finanzbeamter Marc, wegen eines verpassten Zuges Sylvie, Charlotte Gainsbourg, kennenlernt. Es muss sich, so ist aus der Entwicklung des Filmes und leider nicht aus der Inszenierung (oder auch der Besetzung) zu schließen, um einen Coup de Foudre, Liebe, die wie ein Blitz einschlägt, handeln.
Dummerweise verpassen sich die beiden am nächsten Tag, sie haben weder Telefonnummern noch Visitenkarten getauscht. Schicksalshaft verloren. Aber die Drehbuchautoren geben nicht auf. Sie schicken die Schwester von Sylvie, Sophie, Chiara Mastroianni, auf dem Steueramt vorbei. Das Echo auf, der Ersatz für den Coup de Foudre, wenn auch deutlich abgeschwächt, passiert dem ahnungslosen Lover Marc.
Die Drehbuchautoren lassen diese langweilige Liebe zwischen einem Steuerbeamten und einer Antiquitätenhändlerin Sophie (der Schwester von Sylvie) hin zur Hochzeit und dann zur Geburt des Sohnes Hector entwickeln und halten Sylvie aus der Story heraus. Stattdessen wird viel geraucht, gegessen. Catherine Deneuve hat diverse Haushalts-Auftritte als die Mutter der beiden Töchter, auch mal als Schwenkfutter im Hintergrund. Sie wohnt in einer feinen Villa.
Es bleibt dem Zuschauer genügend Zeit, zu fragen, was das alles soll, weil es doch irgendwie hakt und hakelt. Sei es die Besetzung von Poelvoorde, der eher einen Pferdehändler abgibt als einen Finanzbeamten, der oft schwer schnauft und der auch noch einem Steuerbetrug des Bürgermeisters, der ihn doch getraut hat, auf die Spur kommt. Oft schneidet er knautschige Grimassen. Rauchen tut er wie die meisten anderen auch. Er schaut ein mit roten Wellen gefärbtes Feuerzeug oft versonnen an. Es ist das der Schwester seiner Ehefrau Sophie, das von Sylvie. Diese hat sich, nachdem sie gemerkt hat, wer der Gatte von Sophie ist, bis nach Minneapolis zurückgezogen mit einem farblosen Typen, noch farbloser als ein Finanzbeamter.
Die Musik lässt keine Gelegenheit aus, großes, schicksalshaftes Drama zu behaupten. So bleibt denn den Autoren nichts anderes übrig, als die beiden Liebesvulkane, als welche wir sie bittschön denken sollen, wieder räumlich in die Nähe zu rücken, ins Haus der Mutter der beiden Töchter. Sie sind wie zwei Magnete. Sie können einander nicht aus dem Weg gehen. Es ergeben sich immer wieder Gelegenheiten, sei es in einem Schlafzimmer oder in einer naturmystischen Höhle, im Wald, über dem Abgrund oder bei einer besinnungslosen Fahrt im Auto. Und die Gattin-Schwester darf doch nichts merken.
Gleichzeitig spitzt sich die Aufdeckung des Steuerbetrugs des Bürgermeisters zu. Marc zieht das strikt durch. Ihm ist oft nach herzinfarktfördernder Hyperventilation.
So bleibt das Problem, dass die Inzenierung wie theoretisch daherkommt, dass sie auf psychologisch-empirischen Realismus verzichtet; wodurch es dem Zuschauer schwerfällt, sich zu engagieren, sich hineinziehen zu lassen in den Sog der hypothetischen Macht der Geschichte. Weil es aussieht, als sei nicht klar, was Poelvoorde mehr zu schaffen macht, die Position zwischen seinen Spielpartnerinnen, den beiden Prominententöchtern Gainsbourg und Mastroianni, oder die prokrusteshafte Aufgabe, aus seinem Typ einen trockenen Finanzbeamten zu performen. Seine Lösung: schwer atmen. Vielleicht auch das Problem, Verliebtheit in eine so abgeklärte Darstellerin wie die Gainsbourg zu spielen. Wobei auch das Alter aller Darsteller eine Rolle spielt: kann einen die Liebe mit 40 oder 50 überhaupt noch so total erwischen? Und sähe sie dann wirklich so aus, so nach gar nichts, wie hier dargestellt?
Immerhin: einen Hinweis auf die vom Zuschauer zu leistende Fantasiearbeit der Vorstellung des wilden Liebeslebens von Marc und Sylvie bietet ihre kleine, mehrtägige Eskapade; sie wird lediglich mit einer langen Blutrotsonnenaufgangsszene, einem Voice-Over-Text und einer Flugzeuglandung in den Film hineinmontiert.
Die Konzentrationsanforderung des Filmes ist nicht so groß, dass im Hirn des Zuschauers nicht noch Platz bliebe für kleine Abschweifungen, zum Beispiel zur Frühzeit der Deneuve. Sie hatte auch eine Schwester, Francoise Dorléac. In „Die Mädchen von Rochefort“ spielten sie zusammen. Mich hat Francoise viel mehr fasziniert als Catherine. Francoise ist bald nach jenem Film bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Diese reale, biographische Geschichte scheint dräuend über diesem Film zu schweben als Symbol wahrer Schicksalsmacht.