Lebenslinien: Veronika Ferres – Es muss doch mehr geben im Leben (BR, Montag, 9. März, 21.00 Uhr)

Der BR-Redakteur Jörg Seewald (der hatte schon die Klatschsendung Essenz des Lebens zu verantworten) baut hier ein Verehrungsmarterl für Veronica Ferres, zweifellos einer der bekanntesten weiblichen Fernsehstars in Deutschland. Der BR goes Klatschbusiness. Zwangsgebührengelder für das private Marketing eines erfolgreichen Stars, dem man bei jedem Satz anmerkt, dass er reines Kalkül im Hinblick auf das Ikonenbuilding ist. Dieses Geschäft sollte der öffentliche Rundfunk bittschön Der Bunten oder Gala oder den Privatsendern überlassen. Das hat mit dem demokratischen Grundauftrag des Senders nichts zu tun.

Der „Journalismus“ des Herrn Seewald, der redaktionell von Christian Baudissin zu verantworten ist, begnügt sich mit unkritischer Hofberichterstattung, stellt nicht eine tiefere Frage, versucht nicht ein einziges Mal Frau Ferres eine spontane, persönliche Äußerung zu entlocken.

Herr Seewald bietet Frau Ferres devot und untertänig, als ob er an ihrem Speichel klebe, eine Bühne zur Selbstdarstellung. Bereitwillig bringt er die Bilder, die sie von sich als Star sehen möchte, von Roten Teppichen und Preisverleihungen, von der exklusiv vermarkteten Hochzeit (die insofern ein PR-Desaster war, als gleichzeitig Herr Clooney in Venedig und dort mit Weltniveau und Weltklatsch geheiratet hat; wenigstens darauf hätte Herr Seewald doch eingehen können). Er zeigt sie als Star im Fond einer Limousine, geblondet und besonnenbrillt, so wie sich Lieschen Müller einen Star von anno dunnemals vorgestellt hat.

Frau Ferres darf treuherzig erzählen, sie wolle keine Marke sein; Herr Seewald muss blind und taub sein, dass er nicht merkt, wie er sich zum willfährigen Werkzeug der gezielten Marken-Strategie von Frau Ferres machen lässt. Müssen Bilder von ihr am Grab der Mutter wirklich in die Öffentlichkeit? Muss sie, die das Vermarkten von Kindsbeinen an im elterlichen Kartoffelgeschäft gelernt hat, das immerhin erfahren wir hier, die raffinierte (Nicht)-Vermarktung ihrer Tochter, so breittreten und mit Aufnahmen mit ihr beim gemeinsamen Tauchen gleichzeitig konterkarieren? Auf diesen Zwiespalt hätte man sie aufmerksam machen können; einerseits eine gute Mutter sein; andererseits das auch breit herum erzählen und zur PR einsetzen. Herr Seewald hätte wenigstens fragen können, ob es ihr mit dem Schutz der Tochter ernst ist, wenn sie das so ausgiebig erzählt. Ein Geheimnis, was man so fett preisgibt, ist kein Geheimnis mehr. Vielleicht will Frau Ferres mit solchen Bemerkungen nur den Tag vorbereiten, an welchem sie ihre Tochter exklusiv und öffentlichkeitswirksam vermarkten wird.

Der Intendant des BR, Ulrich Wilhelm, sollte sich überlegen, ob er Herrn Seewald weiter mit solchem Klatschbusiness betrauen will oder ob sich nicht im Archiv eine Stelle für ihn findet lässt, wo die Öffentlichkeit von ihm verschont wird.

Warum fragt Seewald Frau Ferres nicht nach entscheidenden Situationen in ihrem Leben, wo sie sich zwischen Machtwillen und Liebe entscheiden musste, oder wo sie sich womöglich für die Liebe entschieden hat, weil diese der Karriere förderlich war?

Warum fragt Seewald sie nicht, warum sie sich, wenn sie mit Perücke verkleidet sich in eine Gerichtsverhandlungen schleicht, um Feldstudien für eine Rolle zu betreiben, warum sie sich dabei erwischen lässt und der Presse erlaubt, die Bilder als PR für sich und ihre nächste Rolle zu veröffentlichen?

Es scheint, als habe Frau Ferres Herrn Seewald eiskalt um den Finger gewickelt zur geschönten Selbstdarstellung. An diesem Film, der sich offenbar allein an ein dummes Publikum wendet, das keine Ahnung vom Geschäft der Stars hat, wären einzig interessant die Besprechungen und Initiativen im Hintergrund, die dazu geführt haben und dass er so gemacht wurde.

Vom Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes her ist jedenfalls nicht abzulesen, dass auch nur eine einzige Sendung sich ausschließlich an ein dummes, ahnungsloses Publikum wenden soll und dieses in seiner Dummheit, resp. Stargläubigkeit und -verehrung wie hier noch bestärkt werden soll.

Warum muss der arme Edgar Reitz herhalten, um das Märchen von der Entdeckung aufrechtzuerahlten mit der Geierwally; das mag schon stimmen. Wie aber weiter an die Rollen zu kommen ist, was ein Star alles unternehmen muss, um seine Position zu halten und zu festigen, zu welchen Mitteln er da gelegentlich greifen muss, darüber kein Wort. Keine Rede davon, wie Frau Ferres an ihre Rollen, an öffentliche Gelder kommt, welche Kontakte sie pflegen muss, allenfalls auch und ob mit Geschenken. Keine Rede davon. Denn die Branche ist weder intrigant noch korrupt noch sonstwie irgendwie suspekt; die Branche ist wie das Märchen vom Schneewittchen.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers.

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