Verstehen Sie die Béliers?

Eine nicht ganz konventionelle Hommage ans franzöische Chanson, an den Chanson-Schreiber Michel Sardou und was Musik alles bewirken kann.

Eine Geschichte aus der französischen Provinz, in der es keine Grautöne, nur helles, freundliches Licht gibt. Das Rührpotential dieser Geschichte von Victoria Bedos, die mit Stanislas Carré de Malberg auch das Drehbuch geschrieben hat und das Eric Lartigau inszeniert hat, begründet sich im Konstrukt, dass in einer französischen Bauernfamilie in der Provinz Lassay, die Viehzucht betreibt und Käse auf dem Markt verkauft, Vater, Mutter und kleiner Bruder alle taubstumm sind. Nur Tochter Paula ist nicht gehörlos, sie hat sogar eine bemerkenswerte Stimme, die direkt darnach schreit, entdeckt zu werden.

Durch die Besetzung der Rolle der Paula mit der blickmagnetisierenden, verheißungsvollen Nachwuchsdarstellerin Louane Emera kann der Film sein Rührpotential voll ausschöpfen. In einem Moment, in welchem sie ein Lied singt, erinnert sie an die junge Catherine Deneuve … und die Vergleiche könnten beliebig fortgesetzt werden.

Die Entwicklung der Geschichte wird flüssig und zügig erzhält, der Zuschauer bekommt alles mit, was nötig ist. Es gibt Komplikationen hinsichtlich der Entedeckung der großen Stimme, denn der Vater will als Bürgermeister für die Gemeinde kandidieren; dazu glaubt die Famile, braucht sie Paula als Hilfe und Dauerübersetzerin.

An der Schule wird im Gesangsunterricht für ein Chorkonzert geübt. Gleichzeitg will Gabriel, ein Junge, der von einem Konzertmanager abstammt und nur wegen der kaputten Verhältnisse zuhause bei seiner Großmutter in der Provinz aufwächst, sich in Paris für eine berühmte Musikschule als Sänger bewerben. Bei einer Chorprobe fällt dem Musiklehrer, der selber auch von der großen Stadt träumt und sein Talent in der Provinz versauern sieht, Paula auf. Er will mit ihr und Gabriel ein Duett einüben. Paris ist in der Provinz immer ein Fixpunkt.

Bis zum schönen Ende in Paris wird es noch wunderbare Gesangseinlagen geben, die erste Menstruation, Liebesgefühle, familiäre Konflikte von Paula, die ihr Potential spürt aber auch die Verpflichtung der Familie gegenüber. Das erzählt uns Eric Lartigau wunderbar mundgerecht, leicht verdaulich zum vollen Genusse einer schönen Geschichte.

Wer selber mit solchen Chansons seine Erlebnisse hatte, der wird dem Sog dieser Geschichte nicht widerstehen können. Als schönes Symbol, Beispiel, was passieren wird, kommt zur Einführung in einer Spanisch-Lektion die Geschichte von Sancho Panza und den Windmühlen, die er als Monster gesehen habe, vor; dabei wirken die Windmühlen hier eher wie Energizer, im übertragenen Sinne.

Bemerkunge des Musikleherers: aus der Garnele kommt kein verünftiger Gesang. Dass ich zwei weitere Jahre damit verbringen muss, einen Chor aus panierten Schnitzeln zum Singen zu bringen.

Einen umweltschützerischen Impetus hat der Film auch: der Vater von Paula will das Amt, weil der jetzige Inhaber, auf Kulturland ein Einkaufszentrum errichten lassen will.

Die Geschichte flutsch so leicht und schön, dass man sich auch ganz schnell an die deutsche Synchronisation gewöhnt, wie Ohrschmalz.

Je vol, je vol … Eric Lartigau bringt das Kino zum Fliegen oder wenigstens den Zuschauer…(eine Erweckungsgeschichte gekoppelt mit dem Coming of Age). La maladie d’amour.

Kinomagie: wie im Schul-Konzert beim Duett ganz diskret der Ton plötzlich auf eine Tonwahrnehmung umgeschaltet wird, wie sie die schwerhörigen Béliers haben dürften, die gebannt im Publikum sitzen.

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