Heute bin ich Samba

Wenn im Filmtitel das Wort Samba vorkommt, so muss im Film getanzt werden.

Mit Tanzgirls in der feinen Gesellschaft fängt der Film auch an, einer reichen, sorglosen Gesellschaft, linkes Bein und rechtes Bein. Jetzt macht sich die Kamera auf die Suche nach dem Protagonisten, Omar Sy als Samba Cissé. Dazu geht sie den langen Weg vom edlen Parkett des Ballsaales durch die Versorgungswege für die Verpflegung durch die Küche und immer weiter durch eine endlose Küche bis sie ganz hinten den Geschirrspüler findet, das unterste, hinterste Ende der Skala dieser menschlichen Gesellschaft, nicht Establishment, sondern illegaler Einwanderer aus Algerien, der mit der Aussicht auf einen Job leichtsinnig wird und prompt in der Abschiebehaft am Flughafen landet.

Bereits hier in der tristen Atmosphäre des Flughafens entwickelt der Film einen bestechenden Humor, ein gute Beobachtung und eine Herzlichkeit, die nicht zufällig an die von Ziemlich beste Freunde erinnert, denn Olivier Nakache und Eric Toledano, die diesen Film frei nach dem Roman von Delphine Coulin geschrieben und gedreht haben, waren auch die Macher hinter jenem alles überragenden Kinohit aus dem Jahre 2011.

An einem etwas verlorenen Parkplatz am Flughafen begegnen wir der anderen Protagonistin, Charlotte Gainsbourg als Alice. Diese will nach einer Krise wieder erste Schritte zurück ins Arbeitsleben machen und lässt sich von einer Kollegin bei einer Betreuungseinrichtung für Flüchtlinge und illegale Einwanderer einarbeiten.

Oberster Grundsatz für Berater: keine privaten Beziehungen eingehen, denn die könnten einem nachgehen. Allein wie jetzt dieser Beratungsraum und der erste Beratungsversuch von Alice inszeniert wird, ein Tohuwabohu an Sprachen, keiner versteht den anderen, schon gar nicht die rührenden, aber überforderten und hilflosen, netten Helfermenschen. Da kommt sie wieder durch diese Haltung, die schon bei „Ziemlich beste Freunde“ so bestochen hat: es wird nicht der arme Flüchtling und der überlegene Helfer gezeigt; die beiden Regisseure haben genau beboachtet und stellen beider Hilflosigkeit, auch beider Liebessehnsucht gleichgewichtet dar.

Ein wohl temperiertes, menschliches Bad, aus dem menschliche Verwicklungen, Verständnisse und Missverständnisse, die für zwei Filmstunden ausreichen, hervorgehen werden. Und das in einem Paris, was ziemlich grau, aber nicht deprimierend grau gefilmt ist.

Samba jedenfalls entkommt der Abschiebung, resp. er soll freiwillig innert 72 Stunden das Land verlassen. Was er selbstverständlich nicht tut, denn sonst könnte er ja Alice nicht wieder treffen, könnte den Illegalen aus Brasilien nicht kennenlernen, mit dem er so manchen Tagelöhnerjob annimmt.

Teils superlustig, wenn sie bei einem Hochhaus an einer Gondel von außen die Fester putzen und in ein Sprachstudio hineinschauen, der Brasilianer anfängt zu tanzen und die ganzen Mädels dazu. Es wird noch zu einer weiteren Tanzszene kommen, bei einer Veranstaltung der wohltätigen Organisation, die sich um die Illegalen kümmert.

Die beiden Freunde haben weitere komische Szenen, nachdem sie vor einer Polizeirazzia über die Dächer fliehen konnten und da sie, um in eine Wohnung zu kommen die Schuhe ausziehen müssen, trägt Samba die jetzt an der Hand und will damit aus einer Dachluke steigen. Wilson ruft ihm zu, er soll die Schuhe werfen. Samba wirft sie übers Dach auf die Straße. Wilson reagiert aufgebracht. Samba korrigiert ihn, er müsse schon genau sagen, was er meine.

Momentweise wirkt der Film wie eine Immigrantenromanze, denn die bemühten Helferinnen können das Prinzip, das Private außen vor zu lassen, nicht durchhalten. Auch sie sind Liebessehnsüchtige.

Wer ist der Mensch, dass er über andere Menschen richte?

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