Whiplash

Rohe Musikpädagogik.
Der perfekte, perfekt eingeübte Standard-Jazzsound täuscht perfekt darüber hinweg, dass dieser Film von Damien Chazelle das reinste Horrorgemälde über die Musikpädagogik in einem allerdings längst überholten aber offenbar immer noch praktizierten Modus ist.

Die Schüler müssen gebrochen werden, sie müssen zu Höchsteistungen angetrieben werden. Dazu setzt der Pädagoge Fetcher an der Shaffer-Musikschule die billigsten Machtspiele, eine anekelnde Homophobie-Begrifflichkeit zur Diskriminierung ein: Tunten, Tussen, Arschficker, Cocksucker, Schlappschwänze, Motherfucker, Wichser, Mr. GayPride, Ladies, Schlampe ist sein üblicher Pädagogensprech.

Das Machtspiel. Einer hat falsch gespielt, einer von den Rohrblattbläsern. Keiner rührt sich. Fetcher fragt einen, lässt ihn spielen, war das richtig oder falsch? Der Bedrängte gesteht, dass es falsch war und wird des Raumes verwiesen. Der Pädagoge grinst und sagt, nee, es war ein anderer, aber dass der das nicht gemerkt hat, ist schlimm genug.

Pädagogik zum Speien perfide. Sie will nur das Gute. In einem späten Gespräch wird Fetcher unserem Märtyrer-Schüler Andrew gegenüber seine Pädagogik verteidigen, denn ein Charlie Parker würde sich davon nicht fertig machen lassen. Eher zu vermuten, dass ein Charlie Parker von so einem widerlich-autoritären Rotzklotz von Lehrer sich nicht lange hätte demütigen lassen von dieser Erniedrigung, die Schüler von Fletcher in den Selbstmord getrieben hat.

Das Ausspielen von Konkurrenten untereinander gehört zu dieser hinterhältigen und wenig fruchtbaren Methode, wobei sie, das scheint mir eine gewisse Widersprüchlichkeit im Film, beim apotheotischen Schlusskonzert durch das grandiose Trommelsolo von Andrew wie gerechtfertigt wird, obwohl er das gegen den Willen von Fletcher macht, der sich zusehends erwärmt dafür – und das vor vollem Konzertsaal. Amerikanisch-sentimental-religöse-Läuterungsszene.

Als ein merkwürdiger Leistungkosmos wird die Musikwelt dargestellt, Ziel sei die Carnegie-Hall. Das sind offenbar Musiker, die alles mit sich machen lassen, die sich alles bieten lassen, und sowieso, die süße Nicole, die Andrew vom Schnellimbiss kennt und in seinem Kopfe ventiliert, die hat auch vor der anvisierten Karriere zurückzutreten.

Eine Musikwelt, in der es nur richtig oder falsch gibt, in der nicht die Seele des einzelnen Musikers und was er mit seinem Instrument ausdrücken will, im Zentrum steht, wie moderne Musikpädagogik es versucht.

Berufsmusiker der Topetagen müssten nach diesem Film alles devote, untertänige, hierarchiegläubige, wenig selbstbewusste, gebrochene Menschen sein. Vielleicht sind sie es auch. Vielleicht nicht. Sie brauchen offenbar die diktatorische Knute, die Schwarze-Schaf-Spiele. Eine kalte Welt des Status. Aber wie eine Gegenwelt aussehen könnte, da sind unserem Autoren die Sinne verschlossen.

Das alte Machtspiel: zu schnell, zu langsam, wie warst Du? Du weißt das nicht? Und Anschiß und Gebrüll. Ein diktatorisches Vorschreib- und Gehorsamssystem. Stellenweise wirkt der Film wie ein Lob dieser autoritären, erniedrigenden Musikpädagogik. Pädagogik, die nicht von der Freiheit des Menschen und seines Ausdruckes ausgeht, sondern die ihn ständig an seinem schlechten Gewissen, nicht genügend geübt zu haben, einen Ton nicht richtig getroffen zu haben, zu schnell oder zu langsam zu sein (are you a rusher or a dragger?), brutal gängelt und diszipliniert. Diktatorenterrorismus-Pädagogik der abscheulichen Art.

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